Hinter den Kulissen

Nun ist er endlich aufgetaucht, dieser Marc ... und dann geht es irgendwie nicht weiter. Das hat mehrere Gründe. Einerseits habe ich, Sadys „Mutti“ – wie ich so schön in einem anderen Blog beschrieben wurde – eine sehr stressige Phase und den Kopf für die Weiterentwicklung der Geschichte nicht so richtig frei. Andererseits habe ich meine Story nicht „geplottet“ und stecke jetzt fest. Ihr fragt euch jetzt sicher, was plotten ist. Plotten kommt vom englischen Wort „plot“ und bedeutet nichts anderes als den roten Faden der Geschichte spinnen.

Mein Geschichtchen hier fing ja eigentlich als Schnapsidee an und wurde – zumindest für mich – dann doch zu einem sehr interessanten Hobby. Ich war gespannt, was Sady alles passieren, in welche Richtung sich ihr Leben entwickeln würde. Denn ohne geplanten roten Faden war ich nach jedem Kapitel überrascht, was da passiert war. Je mehr ich schrieb desto häufiger passierte es, dass ich eine bestimmte Richtung einschlug, die dann mehrere Möglichkeiten der Entwicklung der Geschichte eröffnete. Also machte ich mir Notizen. Leicht perfektionistisch angehaucht, bastelte ich einen Zeitstrahl, um die Übersicht nicht zu verlieren, fing an mir Charaktereigenschaften der agierenden Personen zu notieren, bemerkte, dass der gewählte Job für Sady vielleicht nicht so optimal ist, da ich keine Ahnung von der Branche habe – er klang einfach nur spannend im ersten Moment.

Während des Schreibens stellte ich nun also fest, dass es bei weitem nicht so einfach ist eine in sich schlüssige Geschichte zu schreiben – vor allem, wenn man sie vorher nicht so wirklich plant und diese ungeplanten Kapitel sofort online stellt. Nun hatte ich aber damit angefangen und wurde auch regelmäßig angesprochen doch bitte schnell eine Fortsetzung zu liefern.

In mir wuchs der Gedanke, im Nachgang – also wenn aus meiner Sicht die Story um Sady beendet ist – alles zu überarbeiten und sozusagen einen „richtigen“ Roman daraus zu machen. Ob der dann am Ende in meiner Schublade landen würde oder bei euch auf dem Nachttisch ist dabei erstmal zweitrangig. (Auch wenn mir letzteres natürlich gut gefallen würde. Keine Frage). Mir geht es aber darum, eine logische, spannende Geschichte zu schreiben.

Bisher fand ich die Idee auch gut. Jetzt bin ich an dem Punkt, dass aus meiner Sicht als Leseratte etwas passieren muss. Ich habe auch schon so ganz leicht eine Idee, wie es weitergehen könnte mit Sady und Marc und Jeremy und all den anderen. Aber eben auch nur so ein bisschen. Ich habe das Gefühl, mich zu verzetteln und die Geschichte damit kaputt zu machen – zumindest für mich.

Neulich war Philipp auf Sady aufmerksam geworden, der als Autor und Lektor arbeitet, und hinterließ einen kurzen Kommentar zum Preface. Neugierig wie ich bin, besuchte ich Philipp natürlich auf seiner Seite und fand diese sehr interessant und informativ. Man erhält viele Informationen rund um das Schreiben. Vor kurzem hat er begonnen, Schritt für Schritt das Plotten zu erklären (hier). Schon nach kurzem Lesen wurde mir klar, dass ich nicht die Erkenntnis des Jahrhunderts hatte, als ich feststellte, dass kreatives Schreiben und Planung einander nicht ausschließen.

Warum ich das alles erzähle? Ich überlege, Sady an dieser Stelle – wenn man so will – aus dem öffentlichen Leben zu nehmen, die Geschichte nicht hier fertig zu schreiben, sondern das vorhandene Material zu überarbeiten. Ich hätte somit die Möglichkeit, die Charaktere besser kennenzulernen, vielleicht bekommt Sady einen neuen Job. Unter Umständen verändert sich die grobe Handlung, möglicherweise müssen aber bestimmte Erlebnisse gelöscht und durch neue ersetzt werden. (Warum geht das eigentlich nicht auch im echten Leben?? Okay, das ist wieder ein anderes Thema.)

Was haltet ihr davon? Natürlich würde ich über meine Fortschritte berichten, damit ihr Sady nicht ganz vergesst. Lasst mich wissen (Meinungen bitte unten in den Kommentaren), was ihr gut fandet an der Story, was euch aufgefallen ist (pos/neg).

Chapter 29

Der Abend war erstaunlich mild für Ende Oktober. Sam begleitete mich zur Vernissage von Jeremys Freund James. Josh hatte nicht so sehr Lust auf Kultur und verbrachte den Abend stattdessen mit seinen Jungs. Paula musste leider arbeiten, würde aber vielleicht später noch zu uns stoßen. Sam und ich hatten uns fein herausgeputzt, schließlich war man nicht jeden Tag zu der Eröffnung einer Ausstellung eingeladen.
„Oh, sieh mal! Da vorn muss es sein.“ Sam zeigte die Straße hinunter. An der nächsten Kreuzung waren an einem Eckhaus zwei große Fenster elegant erleuchtet. Ein paar Leute standen davor und unterhielten sich. Wir gingen auf die kleine Galerie zu und gesellten uns zu den Gästen vor der Tür. Ich versuchte Jeremy und seine Freunde zu erspähen, konnte sie aber nirgends entdecken.
„Sam, wollen wir vielleicht schon hinein gehen? Das ist mir dann doch zu frisch hier draußen.“
„Klar, gerne. Wir dürften ja auf der Liste stehen.“
Wir wurden ohne Probleme hineingelassen und mit einem Glas Prosecco begrüßt.
„Sag mal, kennst du diesen James eigentlich?“
„Nein, noch nie gesehen. Ich kann dir also nicht mal sagen, ob der Star des Abends bereits anwesend ist.“
„Macht ja nix.“ Wir prosteten uns zu. „Auf einen schönen Abend.“
Während wir uns umsahen und auf Jeremy warteten, beobachtete ich die verschiedenen Gäste. Alle waren elegant gekleidet. Nur wenige Männer waren in Jeans gekommen, die meisten trugen Anzug und Hemd, aber leger geknöpft ohne Krawatte. Die Damen hatten sich in feine Stoffe gehüllt, viele trugen Kleider. Der Londoner Großstadt-Chic gefiel mir gut.
„Meinst du, es sind auch bekannte Leute hier?“ Auch Sam beobachtete die eintreffenden Gäste.
„Prominente?“
„Ja?“
„Keine Ahnung. Schon möglich. Aber ich weiß nicht, ob Jeremys Freunde in solchen Kreise verkehren oder ob das üblich ist, so jemanden einzuladen. Aber Presse ist vielleicht da.“
„Das kann gut sein.“
„Lokale Sternchen würde ich mit Sicherheit gar nicht erkennen. Das ging mir schon früher so. Dafür sehe ich zu wenig britisches Fernsehen.“
„Ich sag dir Bescheid, wenn plötzlich DER britische Shootingstar neben dir auftaucht.“
„Danke.“ Wir mussten lachen. „Ah, da kommt Jeremy.“
Auch Jeremy hatte uns entdeckt.
„Hey Ladies! Ihr seht bezaubernd aus!“ begrüßte er uns und küsste uns auf die Wange.
„Habt ihr James schon gesehen?“
„Wir kennen ihn doch gar nicht!“
„Oh, das hab ich ja ganz vergessen. Dann sollten wir euch aber schnell bekannt machen. Wer weiß, vielleicht ist er morgen schon der neue Star am Fotografenhimmel.“
Jeremy sah sich um und hielt nach James Ausschau. Nebenbei begrüßte er hier und da ein paar der anderen Gäste. Ich war froh, nicht ganz allein hier zu sein, auch wir wenn zwei der Freunde, mit denen Jeremy gekommen war, bereits von unserem Picknick im Hyde Park kannten, fand ich es angenehmer mit Sam hier zu sein.
„James, darf ich dir Sady und Sam vorstellen?“ Neben Jeremy stand ein relativ kleiner, rothaariger Mann Ende dreißig. Die Geheimratsecken hatten sich bereits weit ausgebreitet, was er aber mit seinen kleinen Locken zu verdecken versuchte, aus seinen Augen blitze der Schalk. Ich mochte ihn auf Anhieb.
„Ah, die Lady, die Jeremy in einem Café aufgesammelt hat“, sagte er lächelnd.
„Genau die.“ James begrüßte mich als wären wir alte Bekannte.
„Und Sie, meine Dame?“ sagte er an Sam gewandt.
„Ich habe Sady in meiner Abstellkammer Asyl gewährt so lange sie hier in London weilt.“
„Ah, sehr freundlich von Ihnen!“ Das Eis war gebrochen. Wir stießen alle gemeinsam mit James auf die Vernissage an, bevor er zu den nächsten Gästen weiter zog.
Eine halbe Stunde später eröffnete James die Ausstellung mit einer Rede. Er erzählte, wie die Fotografie zu seiner Leidenschaft wurde, von den Reisen, die er mit seiner Kamera unternommen hatte, und ein paar Anekdoten zu einigen der Bilder, die hier ausgestellt waren. Dabei begrüßte er namentlich die ein oder anderen Gäste und verwies dann auf ein spezielles Bild. Es war schön zu sehen, wie gut die Bilder bereits jetzt ankamen. Nach der Rede wurden kleine Häppchen serviert und die Besucher verteilten sich in der Galerie um James’ Fotos anzusehen.
Ich stand vor einem Bild, das eine besondere Magie ausstrahlte. Es zeigte ein altes Ehepaar, das sich an den Händen hielt und herzlich lachte. Die Augen wurden von den vielen Falten beinah verschluckt. Sie strahlten so viel Zufriedenheit und Liebe aus, dass ich nicht wusste, ob ich mit ihnen lachen oder vor Rührung weinen sollte. Ich konnte mich kaum von dem Anblick dieser beiden Menschen, die schon so viel miteinander erlebt haben mussten, losreißen. Sie schienen sehr alt und sehr glücklich zu sein.
„Sarah und Joseph Parker“, James war neben mich getreten. „Sie leben im Dorf meiner Großeltern und waren schon alt als ich noch ein kleiner Junge war.“
„James, dieses Bild ist fantastisch! Ich habe das Gefühl, den beiden direkt gegenüber zu stehen und sie aus ihrem Leben erzählen zu hören. Von den Höhen und Tiefen, die sie gemeinsam erlebt haben. Die Liebe füreinander ist fast greifbar.“
James lächelte mich an. „Es freut mich, dass Ihnen das Bild gefällt.“
„Die Bilder sind alle toll. Wirklich! Es freut mich sehr, dass ich heute kommen durfte.“
„So reizende Gäste hat man gern.“
„Charmeur!“
„Sehen Sie sich nur weiter um, Sady, es gibt noch viele interessante Menschen zu entdecken.“ Wir blieben noch einen Moment bewundernd vor dem Bild stehen, bevor James sich zwei Paaren mittleren Alters zuwandte und ich zum nächsten Bild weiterging.
Eine halbe Stunde später strandete ich neben Sam vor einem großen Foto von einem kleinen Jungen, dem lachend eine dicke Träne über die Wange kullerte.
„Die Bilder sind wirklich beeindruckend. Es gibt nicht eins, bei dem ich mich nicht gefragt habe, was wohl die Geschichte dazu ist.“ Sam betrachtete den kleinen Jungen auf dem Foto. „Warum er wohl lacht, obwohl ihm die Tränen über das Gesicht laufen?“
„Ich habe keine Ahnung. Vielleicht hat er erst geweint und dann hat ihn jemand zum Lachen gebracht? Bei Kindern geht das ja schnell.“
„Mag sein. James sollte zu jedem Bild eine kleine Beschreibung machen. Oder einen Bildband herausbringen, wo zu jedem Foto die Geschichte erzählt wird. Das wäre sehr spannend, meinst du nicht?“ Sam sah mich fragend an.
„Die Idee mit dem Bildband finde ich gut. Solltest du ihm mal vorschlagen. Hier finde ich es ganz schön, dass man nur vermuten kann, was wohl der Anlass für das Foto war.“
Als wir zum nächsten Bild gingen, hielt Sam kurz inne.
„Ich hol mir noch ein Glas Prosecco. Magst du auch?“
„Ja, gern.“
Ich widmete mich wieder dem Bild. Diesmal stand ich vor einer jungen Frau, die abwesend ihren Blick in die Ferne schweifen ließ. Sie wirkte sowohl glücklich als auch traurig. Genau konnte man es nicht sagen. Während ich versuchte ihren Blick zu deuten, lauschte ich den Gesprächen um mich herum. Die einen sprachen über die Fotos, so wie Sam und ich eben, andere unterhielten sich über die Arbeit, Fotografie im Allgemeinen, erkundigten sich nach gemeinsamen Bekannten. Etwas ließ mich aufhorchen. Ich konnte mich nicht mehr auf das Foto vor mir konzentrieren. Ich drehte mich um und beobachtete die Menschen, die um mich herum standen. Es war ziemlich voll geworden im Laufe des Abends, doch nach und nach verließen die ersten wieder die Galerie. James verabschiedete an der Tür ein vornehm aussehendes Ehepaar. Seine Eltern möglicherweise. Irgendetwas hatte meine Aufmerksamkeit erregt, das ich noch nicht greifen konnte. Ich wusste nicht, wonach ich Ausschau halten sollte.
„Was ist denn mit dir los? Du guckst ganz komisch.“ Sam war mit zwei Gläsern Prosecco zurückgekehrt und folgte meinem Blick.
„Alles okay. Irgend etwas hat mich grad abgelenkt, aber ich weiß nicht genau was.“
Kaum dass ich den Satz ausgesprochen hatte, wusste ich, was mich abgelenkt hatte. Ganz in meiner Nähe sprach jemand, den ich kannte. Ich drehte mich um und sah, dass Jeremy am anderen Ende des Raumes in einer Gruppe stand und sich unterhielt. Er konnte es also nicht gewesen sein. Und wieder hörte ich die Stimme. Sie war ganz weich und samtig. Plötzlich traf es mich wie ein Schlag – das war die Stimme von meinem Anrufbeantworter! Das konnte nicht sein! Ich suchte mit Blicken den Raum ab, in der Hoffnung, herauszufinden, zu wem die Stimme gehörte.

Chapter 28

„Hey Sady, schade, dass ich dich nicht erreiche. Ich wollte fragen, ob du Freitagabend Lust hast mit zu einer Vernissage zu kommen? Ich bin mit ein paar Freunden dort eingeladen. James, ein guter Freund von mir, stellt zum ersten Mal seine Fotos aus und je mehr Leute kommen, desto besser. Vielleicht haben Paula und ihre Mitbewohnerin auch Zeit? Wie gesagt, wenn ihr möchtet, würde ich mich freuen, wenn ihr auch kommt. Bye, Jeremy.“ Ich hörte meine Voicemail ab und freute mich. Eine Vernissage – toll! Ich hatte zwar keine Ahnung zu welchem Thema dieser James Bilder gemacht hatte, aber egal. Ich hoffte sehr, dass Paula Zeit haben würde. Es wäre eine gute Möglichkeit für sie noch mehr Leute kennenzulernen.
Ich stellte die schweren Einkaufstüten auf dem Küchentisch ab. Zwei Zitronen kullerten heraus, ploppten auf den Stuhl und setzten ihren Weg auf dem Fußboden fort. Ich zog Jacke und Stiefel aus, schaltete Musik an und begann damit, den Kühlschrank zu füllen. Heute Abend wollte ich kochen. Paula und Sam hatten mich so lieb aufgenommen und mir ging es inzwischen so viel besser also noch vor 2 Wochen, dass ich mich heute Abend mit einem leckeren Curry revanchieren wollte. Paula würde erst gegen halb 10 aus dem Krankenhaus zurück sein, aber dann halbverhungert. Ich hatte ihr heute Morgen einen Zettel hingelegt, damit sie wusste, dass heute Abend ein leckeres Essen auf sie warten würde. Während ich die Lebensmittel hin und her räumte, wanderten meine Gedanken zurück zur Vernissage. Ich war noch nie auf einer richtigen Vernissage gewesen. Ausstellungen hatte ich bereits einige besucht, aber keine Vernissage. Musste frau sich da besonders hübsch machen? Wann genau ging es eigentlich los? Und wo war die Ausstellung? Ich griff zum Telefon und rief Jeremy zurück.
„Hey Jeremy! Wie geht es dir? Bist du gestern noch gut nach Hause gekommen?“
„Sady! Gut, danke. Ja, es war ja nicht mehr weit. Der Abend war wirklich schön.“
„Ja, das stimmt. Danke übrigens für die Einladung. Ich würde sehr gerne kommen. Die anderen frage ich, sobald sie zu Hause sind.“
„Das klingt gut! Es wird dir gefallen. James macht sehr tolle Fotos. Und dann groß auf Leinwand gezogen, ist das noch einmal ein ganz anderes Erlebnis.“
„Das glaube ich! Zu was für einem Thema hat er denn Fotos gemacht?“
„Er macht Fotos zu den verschiedensten Themen. Aber die Vernissage steht unter dem Thema Beziehungen – alte Ehepaare, Eltern und ihre Kinder, Freunde, Menschen mit ihren Haustieren … sowas.“
„Oh das klingt toll! Ich freu mich! Wo genau ist denn die Ausstellung? Und wann geht es los?“
„Das ist eine kleine Galerie in South Bank. Ich schick dir die genaue Adresse. Los geht es 20 Uhr mit einem kleinen Empfang. Danach kann man dann entspannt die Fotos bestaunen.“
„Ich geb dir Bescheid, wenn ich weiß, ob die anderen mitkommen.“
„Das ist gut, dann kann ich euch auf die Gästeliste setzen lassen.“
„Wow, es gibt eine Gästeliste!“ Ich war ehrlich beeindruckt.
„Ja, zur Vernissage kommen nur geladene Gäste.“
„Da fühle ich mich ganz geehrt!“
Jeremy lachte.
„Jeremy, ich will dich nicht länger von der Arbeit abhalten.“
„Ach, das tust du doch nicht.“
„Das sieht dein Chef sicher anders“, ich musste lachen. „Danke noch einmal für die Einladung.“
„Sehr gerne! Und dann bis spätestens Freitag!“
Ich saß im Wohnzimmer und überlegte, was ich nun als nächstes tun sollte. Ein Blick auf die Uhr verriet mir, dass es kurz nach halb vier war. Um mit dem Kochen zu beginnen war es noch zu früh. Ich sah aus dem Fenster hinaus auf die Straße. Die Sonne, die gerade hinter den dicken Wolken hervorlugte, ließ die regennassen Straßen golden glitzern. Spontan entschied ich, meine Laufsachen herauszukramen und eine Runde zu drehen. Ganz in der Nähe war ein kleiner Park, dort könnte ich mich ein bisschen austoben.
Schnell sprang ich in mein Zimmer, kramte in der Kommode ein T-Shirt und meine Laufhose raus, suchte im Flur nach meinen Laufschuhen, packte den iPod ein und los ging es. Mein Schweinehund hatte so schnell gar keine Chance vom Sofa aus zu protestieren.

Eine Stunde später war ich wieder zurück. Die Luft war frisch und angenehm gewesen. Obwohl wir mitten in der Stadt waren, hatte ich in dem kleinen Park das Gefühl gehabt, richtig durchatmen zu können. Ich gönnte mir eine heiße Dusche und machte es mir danach vor dem Fernseher gemütlich. Sam kam kurz nach acht nach Hause und sah ziemlich kaputt aus.
„Hey Sam! Bei dir alles okay? Du siehst ganz schön fertig aus.“
„Hey … ja, geht so. Ich hatte heute einen sehr stressigen Tag. Mein Chef kann so ein Ekel sein!“
„Das kenne ich!! Los, ab in die heiße Wanne. Ich mache in der Zwischenzeit den Wein auf und fange an zu kochen. In eineinhalb Stunden dürfte Paula zu Hause sein, dann essen wir schön gemütlich zusammen.“
„Das klingt fantastisch! Josh kommt gegen 9 vorbei…“
„Den bekommen wir auch noch satt!“
„Das sagst du so!“ Sam lachte.
Während Sam im Bad verschwand, wickelte ich mich aus der kuschligen Decke und ging in die Küche. Ich holte den Weißwein aus dem Kühlschrank und stellte ihn zum Atmen auf den Küchentisch, wusch das Gemüse ab und begann mehrere Schüsseln mit Gemüse- und Geflügelstreifen zu füllen.
Ich war gerade auf der Suche nach einem großen Topf im Küchenschrank verschwunden, als Sam in einen flauschigen Bademantel gewickelt aus dem Bad kam.
„Kann man dir irgendwie helfen?“
„Ich suche einen großen Topf – mit Deckel wenn möglich.“
„Hmmm, lass mich mal überlegen. Der da hinten ist zu klein?“ Sam zeigte auf einen mittelgroßen schwarzen Topf, der ganz oben auf einem der Hängeschränke stand.
„Den hab ich total übersehen. Der ginge. Habt ihr einen noch größeren?“
„Warte mal, ich glaub in unserer Rumpelkammer … ähm, sorry, in deinem Zimmer müsste noch einer sein.“, Sam grinste. „Bin sofort zurück.“ Sam kam mit einem blank polierten großen Suppentopf zurück.
„Perfekt!“
Ich nahm Sam den Topf ab, warf Zwiebeln und Knoblauch hinein, dazu ein Schuss Olivenöl und das Brutzeln konnte beginnen. Wenig später, Sam berichtete mir gerade von ihrem Chef, der immer von allen erwartete, bester Laune zu sein und selbst nur missmutig durch die Flure stapfte und mit dem sie heute wegen einer Nichtigkeit aneinandergeraten war, klingelte es an der Tür. Sam sprang auf und ließ Josh herein. Ich hörte, wie sie sich küssten. Viele kleine Küsschen folgten einander und endeten in einem langen Kuss.
„Hey Baby. Alles wieder gut?“ flüsterte Josh im Flur.
„Ja, besser. Sady hat mir ein heißes Bad verordnet und füllt mich grad mit Wein ab.“
Die beiden kamen Arm in Arm in die Küche.
„Mmmmhhh … und kochen tut sie auch noch.“ Josh trat neben mich, um den Inhalt des Topfes zu inspizieren. „Wir sollten sie heimlich hier behalten, damit sie das öfter macht.“ Flüsterte er Sam laut zu. Ich grinste ihn an.
„Hallo Sady!“ sagte er an mich gewandt und küsste mich zur Begrüßung auf die Wange.
„Hallo Josh.“
„So ein Schleimer!“ lachte Sam. „Sady, lass dich nicht einlullen. Er will nur die größte Portion abstauben. Und wenn du nicht aufpasst, nascht er vorher schon immerzu aus dem Topf.
„Ey! Das stimmt ja gar nicht.“ Josh tat entrüstet und setzte seinen Dackelblick auf. „Sady, glaub ihr kein Wort!“
„Na, noch gibt es nicht viel zu Naschen. Und später gibt es dann was auf die Finger – ganz einfach.“
„Du bist ja streng!“
„Du willst doch nicht drei Frauen verhungern lassen, nur weil du aus dem Topf isst?!“
„Nein, das könnte ich ja nicht ertragen, wenn das passieren würde!“
Wir mussten lachen.
„So, bekomme ich wenigstens auch ein Glas Wein?“
„Wir haben auch Bier da“, sagte ich.
„Haben wir? Sam war überrascht.“
Josh grinste. „Ich sag ja, sperr sie ein! Dann kann sie nächste Woche nicht wieder wegfliegen.“
„Josh, ich höre jedes Wort!“ sagte ich lachend.
„Willst du nicht wirklich hier bleiben? Deinen Job willst du doch eh kündigen. Komm doch wieder her.“
„Darüber hab ich auch schon nachgedacht.“
„Und?“
„Ich weiß nicht … mir gefällt es in Hamburg. Klar, London ist eine sehr tolle Stadt und es würde mich reizen noch einmal für eine gewisse Zeit herzukommen. Aber … hmm … sagen wir mal so, die Entscheidung ist noch nicht gefallen.“
„Aber das heißt ja, es besteht die Möglichkeit, dass du zurückkommst.“ meinte Sam.
„Unter Umständen. Aber eins nach dem anderen. Ich muss ja auf jeden Fall zurück und in der Agentur kündigen. Dort bin ich noch bis Ende Februar. Bis dahin weiß ich dann auch, was ich machen werde.“
„Also du kannst jederzeit wieder zu uns kommen, Sady. Ganz ehrlich!“
„Zu Besuch auf jeden Fall, und alles andere werden wir sehen.“
„Darauf stoßen wir an!“ Josh hatte sich inzwischen ein Bier aus dem Kühlschrank genommen und Sam und mein Weinglas nachgefüllt.

Chapter 27

Als ich am Abend nach dem Treffen mit Jeremy nach Hause kam, war alles still. Die Wohnung war dunkel und gemütlich warm. Ich lauschte in die Stille hinein. Aus Sams Zimmer kam leise Musik und Stimmengemurmel. Ich schlüpfte aus meiner Jacke, zog die Stiefel aus und tapste in die Küche um mir einen Tee zu machen. Ich knipse die kleine Lampe an, ging zum Wasserkocher und stellte ihn an. Vom Regal über dem Küchentisch nahm ich die bauchige rote Tasse und legte einen Teebeutel hinein. Auf dem Tisch sah ich einen Zettel liegen. Maja hat angerufen. Du sollst zurück rufen – egal wie spät. Ist aber nix Schlimmes :) Paula
Maja, wie ich sie vermisste! Gerne würde ich hier in London bleiben, aber der Abschied von Maja unerträglich.
Ich goss meinen Tee auf, holte das Telefon aus dem Flur und ging in mein Zimmer. Eigentlich war es eher eine Abstellkammer mit integriertem Arbeitsplatz. Paula und Sam bunkerten hier alle möglichen Utensilien, die im Rest der Wohnung keinen Platz fanden. Zudem stand hier auch das Gästebett. Trotz des Chaos fühlte ich mich wohl. Ich machte es mir mit meinem Tee auf dem Bett gemütlich und rief Maja an. Es klingelte. In Deutschland war es inzwischen nach ein Uhr nachts. Vielleicht hätte ich doch besser morgen Früh angerufen. Als ich schon auflegen wollte, hörte ich Majas verschlafene Stimme am anderen Ende.
„Hey Maja, sorry, ich wollte dich nicht wecken …“
„Sady! Kein Problem. Ich hab ja gesagt, du sollst auf jeden Fall noch anrufen. Wie geht es dir?“ Sie klang schon etwas munterer.
„Mir geht es gut. Ich war noch aus. Aber was ist denn los, dass ich dich hier mitten in der Nacht aus dem Bett klingeln soll?“
„Nichts schlimmes! Aber nächsten Mittwoch komme ich nach London und fliege Sonntagfrüh mit dir zusammen zurück!!“
Ich wusste überhaupt nicht was ich sagen sollte.
„Sady?“
„Ist das dein Ernst?“ Maja lachte.
„Natürlich ist das mein Ernst!“
„Aber was ist denn mit dem Lädchen?“
„Ich habe eine Aushilfe und meine Mutter wird auch den ganzen Tag da sein. Eigentlich war es sogar ihre Idee. Sie meinte, eine kleine Auszeit würde mir gut tun.“
„Ich glaub es ja nicht!! Wie toll!“ Ich war total aus dem Häuschen.
„Und ich dachte schon, du freust dich gar nicht.“ Ich hörte, dass Maja grinste.
„Mich nicht freuen? Na sag mal! Ich hol dich vom Flughafen ab. Wo übernachtest du denn dann? Auch hier bei Paula? Oder wollen wir uns zusammen für die paar Tage ein Hotel nehmen?“
„Oh, ich weiß gar nicht.“
„Ich bequatsch’ das mal mit Paula und sag dir dann Bescheid. Ist ja noch eine Woche Zeit bis du kommst. Oh, ich freu mich so!“
„Und ich mich erst! So, und jetzt erzählst du mal, wie dein Date war.“
„Was denn für ein Date?“
„Paula hat erzählt, du hättest heute Abend ein Date.“
„Ach so. Ich war mit Jeremy aus. Den hab ich letzte Woche in einem Café kennengelernt. Aber das war kein Date. Er ist echt nett, aber das war’s auch schon.“
„So, so … echt nett also.“
„Maja, hör auf damit! Paula macht mich irre deswegen!“
„Sie meinte, er würde echt gut aussehen und in einer Bank arbeiten. Hört sich doch nach einer guten Partie an.“
„Ja, das stimmt schon. Aber da ist einfach nicht mehr. Wirklich.“
„Nun gut“, Maja gähnte. „Ich gucke mir den nächste Woche mal an, dann werden wir weiter sehen. Jetzt muss ich aber wieder schlafen, sonst wird das morgen nichts im Lädchen.“
„Oh, ich hab total vergessen, wie spät es ist! Ab ins Bett mit dir und ich freu mich riesig auf nächste Woche!“
„Ich mich auch!“
Ich legte das Telefon beiseite und ließ mich in meine Kissen sinken. Was hatten alle nur mit Jeremy? Ja, er sah gut aus. Sehr gut sogar. Und ja, ich gebe zu, ich habe kurz darüber nachgedacht, ob er in Frage käme. Aber welche Frau tut das nicht, wenn sie Mr Right noch nicht getroffen hatte und dann einem tollen Mann begegnet. Ich genoss seine Gesellschaft sehr. Der Abend heute war wirklich schön. Wir können stundenlang reden, über die verschiedensten Themen. Aber mehr als ein guter Freund wird er wohl nicht werden. Da können sich Paula und Maja noch so bemühen, leider bestimmen wir nicht selbst, in wen wir uns verlieben und in wen nicht. Schade eigentlich.

Chapter 26

Die Woche plätscherte gemütlich dahin. Ich hatte das Wochenende, die neuen Bekanntschaften, die Stadt selbst sehr genossen. Langsam wuchs in mir der Wunsch, meinen Aufenthalt zu verlängern. Das ging natürlich nicht, mein Jahresurlaub war so gut wie aufgebraucht, ich musste zurück nach Hamburg, zurück in die Agentur. Es gab dort einiges zu klären. Allein der Gedanke daran deprimierte mich. Ich war mir inzwischen sicher, der Agentur den Rücken zu kehren. Es gab dort einfach kein Weiterkommen für mich. Jetzt da die Entscheidung gefallen war, wollte ich keine Zeit mehr verlieren. Ich würde die Kündigung so schnell wie möglich einreichen. Was bedeutete, dass ich bis Ende Februar wissen musste, wie es danach weitergehen sollte. In der Hinsicht war ich keinen Schritt weiter gekommen. Ich zögerte noch immer, mich an den Gedanken zu wagen, es ganz allein zu probieren. Ohne lästige Chefs. Ganz nach meinen Wünschen zu arbeiten. Die Alternative wäre, wieder in einer Agentur zu arbeiten.
Ich beschloss heute zu Hause zu bleiben, mich an Paulas Rechner zu setzen und die Jobbörsen zu durchforsten. Ich kochte mir einen heißen Tee, stöberte im Schrank leckere Muffins auf und machte mich auf die Suche nach meiner beruflichen Zukunft. Drei Stunden lang las ich Stellenanzeigen, Jobprofile, informierte mich über Agenturen, Agenten usw., usw. Nichts hatte mich wirklich angesprochen. Natürlich gab es einige sehr interessante Möglichkeiten. Die ein oder andere Agentur hätte mich noch vor zwei Jahren hibbelig hier auf dem Stuhl hin und her rutschen lassen. Aber leider heute nicht. Ich war frustriert. Es konnte doch nicht so schwer sein, sich für etwas Neues zu begeistern! Waren meine Ansprüche zu hoch? Waren diesen gerechtfertigt? Was waren eigentlich meine Ansprüche. Vielleicht lag es einfach nur daran, dass ich noch immer nicht wusste, was ich genau wollte.
Das Klingeln meines Telefons riss mich aus meinen Grübeleien. Verstimmt ging ich ran.
„Hi Sady, Jeremy hier. Du hörst dich ja nicht gut an. Störe ich?“
„Oh, hi Jeremy. Nein, ganz und gar nicht. Ich zerbreche mir gerade den Kopf über einen neuen Job und stecke irgendwie fest.“
„Klingt nicht gut. Dann passt es aber vielleicht ganz gut, ich wollte fragen, ob du heute Abend Lust hast mit mir Essen zu gehen?“
Ich zögerte. Ich war gerade total schlecht drauf, mir war nach einer heißen Wanne, einem Buch, Couch. Einfach einrollen und einigeln.
„Hmm … eigentlich hab ich Zeit.“
Jeremy lachte. „Du weißt grad nicht, ob du dich lieber unter der Couch verkriechen sollst oder es wagen kannst heute noch unter Leute zu gehen, richtig?“
Jetzt musste auch ich lachen. „Richtig.“
„Okay, dann verkriech dich bis heute Abend und dann gehen wir gemütlich etwas essen. Dann kannst du beides haben.“
„Haha!“ Er hatte es geschafft, dass meine Laune wieder besser wurde. „Ja, du hast recht. Dann lass uns heute Abend treffen.“
Wir verabredeten Ort und Zeit.
„Und falls es dir doch extrem gut unter der Couch gefällt, dann kannst du ja noch Bescheid geben, dass es heute Abend nichts wird. Vielleicht schicke ich dir dann Essen dort hin. Aber ich werde mich dort nicht dazugesellen.“
„Du bist aber verständnisvoll!“
„So bin ich. Bis später!“

Nach einem gemütlichen Nachmittag hatte ich mich für das Treffen mit Jeremy fertig gemacht. Wir waren an der U-Bahn Leicester Square verabredet. In Soho gab es einige sehr nette Restaurants und Jeremy hatte dort eines vorgeschlagen.
Als ich aus der U-Bahn-Station kam, schlug mir kalte, feuchte Luft entgegen. Zu Beginn der Woche hatte das Wetter umgeschlagen. Der Herbst zeigte sich nun von seiner ungemütlichen Seite. Ich schlug den Kragen meiner Jacke hoch und verkroch mich so gut es ging hinter meinem Schal. Ich war so damit beschäftigt, die Menschen zu beobachten, die geschäftig die Straße hoch und runter hasteten, den Kopf zwischen den Schultern, dass ich gar nicht gemerkt hatte, dass Jeremy neben mir stand. Ich erschrak als ich zur Seite blickte und ihn neben mir entdeckte. Er lächelte mich an.
„Entschuldige, ich wollte dich nicht erschrecken. Du warst aber weit weg mit deinen Gedanken.“
„Wie lange stehst du denn schon hier?“
„Ein paar Minuten.“
„Und lässt mich hier frieren!“ Wir begrüßten uns lachend.
„Na dann lass uns mal ins Warme gehen. Ich will ja nicht Schuld sein, wenn du dich erkältest.“
Ich hakte mich bei Jeremy unter und ließ mich durch das belebte Soho führen. Plötzlich blieben wir vor einem modernen Lokal stehen. Es war eine Mischung aus Bar und Restaurant, wirkte modern aber durch das gedämpfte Licht sehr gemütlich. Wir traten ein und wurden von wohliger Wärme empfangen. Wir suchten uns einen Tisch in Fensternähe.
„Wow, sehr chic hier.“
„Gefällt es dir? Ich bin sehr gerne hier. Die Bar gehört einem Freund von mir.“
„Es gefällt mir sehr gut! Nicht zu modern aber doch stylisch. Und natürlich sehr zentral gelegen. Wenn jetzt noch das Essen lecker ist, dann ist es perfekt.“
„Dann sollten wir gleich etwas bestellen, damit du dich davon überzeugen kannst.“
Die Speisekarte war klein aber fein. Wir entschieden uns für einen Antipasti-Teller als Vorspeise, üppigen Salat und danach eine Käseplatte und Oliven. So klein die Auswahl an Speisen war, so groß die an Weinen.
„Jeremy, ich hab keine Ahnung, was für Wein ich nehmen soll. Kennst du dich damit besser aus?“
„Sag du die Farbe, ich suche dann etwas raus.“
„Rot wäre gut, gerne halbtrocken und fruchtig.“
Jeremy lachte. „Ah ja, aber genaue Vorstellungen hast du.“
„Natürlich. Aber wenn du mir jetzt mit Anbaugebieten, Rebsorten und solchem Zeug kommst, dann muss ich leider passen. Ich merke mir dann, wie der Wein hieß, wenn er lecker war und das muss dann reichen.“
„Klingt vernünftig.“
Jeremy bestellte einen libyschen Wein und er traf genau meinen Geschmack.
„Wow. Da hat man ja das Gefühl, man hat die Trauben selbst im Mund!“ Ich war wirklich begeistert.
„Puh, da hab ich ja Glück gehabt und den richtigen ausgesucht.“
Auch das Essen war ausgesprochen köstlich. In diesem Lokal war ich mit Sicherheit nicht das letzte Mal gewesen. Ich musste es unbedingt Paula empfehlen.
„Bist du denn mit dem Grübeln heute vorangekommen?“
„Ich hab es dann aufgegeben, nachdem du angerufen hattest. Irgendwie komme ich da momentan keinen Schritt weiter.“
„Was bereitet dir denn solches Kopfzerbrechen?“
„Ich weiß auch nicht. Dass ich in der jetzigen Agentur nicht bleiben werde, tja, die Entscheidung ist gefallen. Ich muss mir jetzt also klar werden, was ich ab März machen möchte. Aber ich weiß es einfach nicht. Ich habe heute nach Jobs gesucht, in anderen Agenturen und Unternehmen. Da waren einige spannende Sachen dabei, aber irgendwie hat mich nichts davon so richtig vom Hocker gerissen.“
„Du hast letzte Woche erzählt, dass du darüber nachdenkst, dich selbständig zu machen. Wäre doch jetzt ein passender Zeitpunkt, oder?“
„Eigentlich schon. Aber ich weiß nicht. Es ist auch mit einigen Risiken verbunden. Und so ganz sicher bin ich mir auch nicht, in welche Richtung es dann gehen sollte.“
„Okay, die Grundidee müsstest du schon haben. Dann kannst du auch das Risiko besser kalkulieren. Solche Ideen kann man nur realistisch betrachten, wenn man sich Hilfe sucht bei jemandem der dir genau erklärt, welche Kosten auf dich zukommen, welche Unterstützung und Förderung es gibt und natürlich wie realistisch dein Vorhaben ist in Hinsicht auf Erfolg.“
Ich seufzte. „Ich weiß. Aber ohne ein fundiertes Konzept kann mir da auch keiner zu diesen ganzen Sachen Auskunft geben.“
„Das stimmt allerdings. Hast du denn so gar keine Idee? Wie kommst du denn dann überhaupt darauf, dich selbständig zu machen?“
„Es gibt drei, vier verschiedene Hobbies beziehungsweise meine jetzige Arbeit. Aber nichts davon würde ausreichen, um mir allein den Lebensunterhalt zu sichern. Zumindest nicht zu Anfang.“
„Und die lassen sich nicht miteinander kombinieren? Das ist ja das Schöne am freien Arbeiten, dass du verschiedene Dinge miteinander kombinieren kannst.“
„Aber die haben alle so gar nichts miteinander zu tun.“
„Na und?! Dann betrachte es einfach wie zwei verschiedene Halbtagsjobs. Ist doch toll, sofern sich das zeitlich entsprechend aufteilen lässt.“
„So hab ich das noch gar nicht gesehen.“
„Was sind das denn für Ideen?“
„Auf der einen Seite würde ich schon gerne in meiner jetzigen Branche weiter arbeiten. Also Autoren betreuen und alles was da so dazu gehört. Andererseits habe ich total viel Spaß daran meine Wohnung neu einzurichten, mit Farbe zu experimentieren, mit Schrift, Kissen, Dekoelementen. Viele Freunde haben sich dabei schon von mir beraten lassen und waren überrascht, was sich mit wenigen Mitteln bereits verändern lässt. Letzten Winter habe ich dann angefangen zu nähen und finde es total toll, Kissen, Vorhänge und solche Sachen passend zu anderen Wohnelementen zu nähen.“
„Das klingt doch ganz gut. Vielleicht ließe sich neben der Hauptarbeit als Lektorin noch Inneneinrichtung im weitesten Sinne einbinden. Das Ganze muss ja auch nicht 50/50 sein. Und wenn du nur anbietest, dass du Farbkonzepte entwirfst und möglicherweise die passenden Kissen, etc. dazu kreierst. Was meinst du?“
„Das klingt gut. Darüber werde ich mir mal noch ein paar Gedanken machen.“ Jeremy schenkte uns Wein nach.
„Danke Jeremy! Also nicht für den Wein. Danke, dass du dir das anhörst und dir solche Gedanken machst. Wir kennen uns eigentlich kaum und ich lade meine Sorgen bei dir ab, ich –“
„Sady, du lädst deine Sorgen nicht bei mir ab. Ich habe danach gefragt. Und wenn ich dir helfen kann, dann ist das doch gut. Du bist schließlich hierher gekommen, um dir klar zu werden, wie es weiter gehen soll. Hilfe ist dabei doch nicht verboten, oder?“
„Nein, natürlich nicht, nur …“ Jeremy nahm meine Hand.
„Bei manchen Menschen ist es egal, wie lange sie sich kennen. Es war einfach der richtige Moment, in dem wir uns getroffen haben. Mach dir nicht so viele Gedanken darüber.“
„Vielleicht hast du recht.“
„So, und nun lass uns anstoßen. Es freut mich, dass wir uns getroffen haben.“
„Das freut mich auch.“
Jeremy hatte recht. Manchmal hatte man einfach Glück und lernte im richtigen Moment den richtigen Menschen kennen. Ich sollte das nicht in Frage stellen sondern einfach als glückliche Fügung hinnehmen. So etwas passierte schließlich nicht oft.