Chapter 15

Ich hatte mich entschieden, zur Beerdigung von Toms Opa zu gehen. Früher fand ich es unmöglich, wenn alte Leute zu jeder zweiten Beerdigung im Dorf gegangen sind. Heute weiß ich, dass sie viele der Toten wirklich gekannt haben, sich verabschieden wollten und dabei selbst unweigerlich dem Ende immer näher kamen. Oder sie standen einem der Angehörigen nahe und zeigten damit ihre Anteilnahme.
Die Beerdigung fand 15 Uhr auf dem Ohlsdorfer Friedhof statt. Jasmin und ich hatten uns den halben Tag frei genommen und wollten gemeinsam zu der Trauerfeier gehen. Ich stand im Flur vor dem großen Spiegel. Ich hatte mir ein schwarzes Kleid angezogen und schwarze Pumps dazu. Bis zu dem Zeitpunkt als mein Opa vor fast zehn Jahren gestorben war, hatte ich sehr oft schwarz getragen. Als aber meine ganze Familie fast nur noch dunkel gekleidet war, hatte ich das Gefühl von dieser Farbe erdrückt zu werden. Ich bekam keine Luft mehr, wenn ich mich in der Trauer einhüllen musste. Ich verbannte fast alle schwarzen und grauen Kleidungsstücke in die hinterste Ecke meines Schranks. Die neue Bluse, die ich zur Beerdigung das erste Mal getragen hatte, trug ich nie wieder. Es hatte lange gedauert, bis ich schwarz wieder als modisch empfand. Ein seltsamer Beigeschmack war jedoch geblieben.

Gegen zwei stand ich bei Jasmin vor der Tür. Wir hatten noch ausreichend Zeit. Der Friedhof war aber sehr groß und wir waren noch nie dort gewesen. Wir wollten auf keinen Fall zu spät kommen, weil wir uns verirrt und den Weg nicht rechtzeitig gefunden hatten. Auch Jasmin trug ein schwarzes Kleid. Es stand ihr sehr gut. An der Taille verlief ein schmales Samtband, das am Rücken geknotet war, am Ausschnitt waren ein paar kleine schwarze Blüten aufgenäht. Wäre der Anlass nicht so traurig gewesen, hätte ich sie um dieses tolle Kleid beneidet.
Wir fuhren mit dem Auto zum Friedhof, suchten uns einen Parkplatz und machten uns auf die Suche. Es war nicht nur ein Friedhof sondern ein riesiger Park – ein wunderschöner Park. Die Sonne lachte von einem tiefblauen Himmel, das Grün der Bäume leuchtet und Bienen schwirrten von Blüte zu Blüte. Ich wurde von einer seltenen Ruhe erfasst. Die Hektik des Alltags verblasste. Beinahe vergaß ich den Anlass für meinen Besuch in dieser Oase. Wenn es so etwas gab, dann war hier der perfekte Ort um einen geliebten Menschen zur letzten Ruhe zu betten.
Nach fünfzehn Minuten hatten wir die Kapelle gefunden, in der die Trauerfeier stattfinden sollte. Es hatte sich bereits eine kleine schwarze Menschentraube davor versammelt. Soweit ich sehen konnte, war Tom nicht dabei, ich ging also davon aus, dass seine Familie noch nicht angekommen war. Jasmin und ich stellten uns ein Stück abseits der Trauergemeinde. Ich wünschte es wäre bereits vorbei. Wir redeten kaum miteinander und grüßten weitere ankommende Trauergäste mit einem kleinen Nicken.
Kurz vor drei war eine beachtliche Anzahl von jungen und alten Leuten auf dem Friedhof versammelt. Alle hatten Toms Opa auf irgendeine Weise gekannt, hatten mit ihm gearbeitet, gelacht, gefeiert, waren gemeinsamen Hobbies nachgegangen. Man kannte sich bereits aus Kindertagen oder über einen Verein oder stand einem Angehörigen auf die ein oder andere Weise nahe.
Plötzlich senkte sich Stille über die Gruppe. Tom und seine Familie waren eingetroffen. Er stützte seine Oma, die, um Fassung bemüht, neben ihrem Enkel auf die Kapelle zuging um ihrem Mann das letzte Geleit zu erweisen. Ich konnte mir kaum vorstellen, wie schwer dieser Gang für sie sein mochte. Viele Jahrzehnte hatten sie miteinander verbracht, gemeinsam gelacht und geweint. Jetzt war diese Reise beendet und ihr blieb nichts anderes übrig als sich zu verabschieden und allein weiter zu ziehen. Ihr Arm war bei Tom eingehänkelt, der liebevoll und Kraft spendend ihre Hand hielt. Auf seinem Gesicht spiegelte sich tiefe Traurigkeit, doch seine Augen verrieten, dass er sich sorgte – um seine Oma und auch seine Mutter, die ihren geliebten Vater verloren hatte. Als Tom uns sah, huschte ein ganz leichtes Lächeln über sein Gesicht. Er hatte wahrscheinlich nicht damit gerechnet, dass jemand aus der Agentur kommen würde. Wir konnten ihm nicht wirklich helfen, aber wir wollten ihm zeigen, dass wir in dieser schweren Stunde an ihn dachten.
Es bildete sich ein Gang zwischen der Trauergemeinde, so dass die Familie zur Tür der Kapelle gehen konnte, an der bereits der Pfarrer auf sie wartete. Links und rechts des Ganges nickten die Bekannten und Freunde der Familie zu und murmelten leise Beileidsbekundungen. Beim Pfarrer angekommen reichte dieser erst der Oma die Hände, dann dem Rest der Familie und geleitete sie in das Innere der Kapelle hinein, wo der geschlossene Sarg aufgebahrt war. Ein Schluchzen drang nach draußen an den sommerlichen Tag. Niemand sagte mehr ein Wort. Kurze Zeit später wurde die Flügeltür geöffnet und die Trauergemeinde folgte der Familie in die Kapelle. Wir stellten uns in die letzte Reihe, da keine Plätze mehr frei waren. Es waren so viele Menschen gekommen, dass einige in der Tür und vor der Kapelle stehen mussten. Hier und da murmelten die Leute miteinander, ab und an vernahm man ein leises Schniefen. Ich ließ meinen Blick über die Köpfe der Anwesenden schweifen, bis ich ganz vorn direkt vor dem Sarg Tom uns seine Familie ausmachen konnte. Erst jetzt fiel mir auf, dass Bee nicht dabei war. Ich suchte die Menge ab, konnte ihre roten Haare aber nirgends entdecken. Wie konnte das sein? Ich sah Jasmin an.
„Sag mal“, flüsterte ich, „weißt du wo Bee ist?“
„Ist sie denn nicht hier?“ flüsterte Jasmin zurück und sah nun auch suchend auf die Menschenmenge.
„Ich kann sie auch nicht sehen. Das ist ja merkwürdig.“ Wir sahen uns verwirrt an. Aber bevor wir uns weitere Gedanken machen konnte, setzte leise Musik ein und der Pfarrer schritt an sein Podest.
„Liebe Frau Bergmann, wehrte Angehörige, wehrte Trauergemeinde. Wir haben uns heute hier versammelt, um Abschied zu nehmen von Paul Herrmann Bergmann.“ Der Pfarrer hatte eine tiefe, angenehme Stimme. Sie hatte etwas beruhigendes, über allen Kummer erhabenes. Man glaubte ihm, dass er schon viel Leid gesehen und erlebt hatte und der Trost, den er zu spenden versuchte, ehrlich war. Er berichtete über das ereignisreiche Leben von Toms Opa, seiner Zeit im Krieg, wie die Familie wieder zueinander fand, in frühen Jahren ein Kind starb – Toms Onkel – und wie er für seine Familie zum Fels in der Brandung wurde, bis er am Ende seiner Reise angekommen und nun zum Herrn heimgekehrt war. Die Rede war sehr einfühlsam. Aber selbst mir, die mit Paul Bergmann eigentlich nichts verband außer der Freundschaft zu seinem Enkel, kamen die Tränen. Ich fühlte mit der Familie, die diesen Schmerz erleiden musste.
Die Trauergemeinde erhob sich und sprach ein abschließendes Gebet. Wieder erklang leise Musik. Vier Sargträger traten an den Sarg heran, räumten Kerzen und Kränze beiseite und hoben den Sarg an. Langsam verließen sie die Kapelle, gefolgt von der Familie des Verstorbenen, den Freunden und Bekannten. Wir gingen langsam durch den sommerlich leuchtenden Park zur Grabstelle. Dort richtete der Pfarrer noch einmal ein paar Worte an die Trauergemeinde. Danach wurde der Sarg in die Erde hinabgelassen. Toms Oma schluchzte laut auf. Er stützte sie, half ihr, einen Strauß Rosen auf den Sarg zu werfen und nahm sie in den Arm. Er selbst verabschiedete sich mit einer weißen Rose. Tränen liefen über sein Gesicht. Tom geleitete seine Oma an eine Stelle etwas seitlich vom Grab, wo ein Stuhl für sie bereit stand. Auch für Toms Mutter war dieser letzte Abschied schwer. Nach und nach verabschiedeten sich alle Anwesenden am Grab und bekundeten der Familie ihr Beileid. Auch Jasmin und ich ließen eine kleine Rose auf den Sarg fallen und gingen dann kurz zur Familie Bergmann. Toms Oma bemerkte kaum, dass man ihr die Hand gab. Sie schien ganz verloren in ihrer Trauer. Ich umarmte Tom kurz. Es bedurfte keiner Worte. Was sollte man auch sagen? Danach machten Jasmin und ich uns auf den Heimweg. Wir schlenderten durch den Park, ohne viel miteinander zu reden, ganz in Gedanken versunken.
„Was hältst du davon, wenn wir noch irgendwo in ein Café fahren und ein bisschen die Sonne genießen? Mir ist so kalt jetzt.“ Jasmin sah mich fragend an.
„Gute Idee.“
Wir stellten mein Auto bei ihr in der Straße ab und gingen in ein kleines Café in der Nähe. Wir hatten Glück und ergatterten einen Tisch in der Sonne, von dem gerade ein verliebtes Pärchen aufgestanden war. Wir waren beide froh, dass wir nur kurze Zeit Teil dieser Trauergemeinde waren und nun wieder Licht in unsere Seele fließen lassen konnten.

Chapter 14

Das Wochenende verbrachte ich in Urlaubslaune. Am Tag lachte die Sonne von einem stahlblauen Himmel und verwöhnte uns. Die Nächte waren lau, so dass ich lange mit einem Glas Wein auf dem Balkon saß und dann bei weit geöffnetem Fenster schlief. Ich genoss diese faulen Tage und verdrängte jeden Gedanken an die Agentur erfolgreich. Es hätte ewig so weiter gehen können. Doch auch die schönste Zeit hatte einmal ein Ende. Und so riss mich der Wecker Montagmorgen viel zu früh aus meinen Träumen. Ich blieb noch eine Weile liegen, schaute aus dem Fenster in den hellblauen Himmel, hörte den Nachbarn zu, wie sie die Türen schlossen und sich auf den Weg zur Arbeit machten.
Wäre ich nur im Bett geblieben, eingehüllt in meiner Urlaubswelt mit nach Sommer duftenden Gedanken.

Der erste Tag zurück im Büro war meist eigenartig. Einerseits war es ganz schön, alle wiederzusehen und in die gewohnte Betriebsamkeit einzutauchen, andererseits war der Reise weg vom Alltag immer viel zu kurz. Ich versuchte mir meine Entspannung zu bewahren und meine Kollegen nicht mit schlechter Laune zu ärgern. Sie konnten ja nichts dafür, dass sich das Rädchen während meiner Abwesenheit ganz normal weiter gedreht hatte und ich noch nicht bereit war, wieder aufzuspringen.
Ich ging zu Tom ins Büro. Ich hatte ihn den ganzen Morgen noch nicht gesehen. Auf seinem Tisch stapelten sich Ordner und Unterlagen, aber von ihm keine Spur.
„Tom ist die Woche krank.“ Jasmin kam herein, um sich einige Unterlagen rauszusuchen. Ein Ziehen in der Magengegend machte sich breit.
„Was hat er denn?“ fragte ich.
„Weiß ich nicht. Irgendwas mit der Familie, glaub ich.“ Oh nein! Sein Opa!
„Und er hat nichts weiter gesagt?“ bohrte ich nach.
„Du, ich hab nicht mit ihm gesprochen. Er hat wohl nur Karin angerufen und sich krankgemeldet.“ Aus Karin würde ich kein Wort rausbekommen. Die Assistentin von Mr. P konnte geschwätzig sein wie ein Waschweib, aber manchmal war sie einfach nur biestig und tat so als wäre sie die Firmenpolizei und müsste alle Informationen vor den anderen Mitarbeitern beschützen.
Jasmin sah mich fragend an. „Weißt du was da los ist? Er war ja in letzter Zeit auch nicht so gut drauf.“
„Nee, auch nicht so genau“, versuchte ich abzulenken. „Wer weiß.“
Sollte ich ihn anrufen? Aber was, wenn es seinem Opa wirklich sehr schlecht ging, dann störte ich womöglich nur.
Ich entschied mich, am Abend anzurufen. Da wäre er sicher nicht mehr im Krankenhaus. Ich könnte auch Bee anrufen und nachfragen. Wir hatten bisher zwar nicht sehr viel miteinander zu tun gehabt, aber sie war eigentlich ganz nett und durch Zufall hatte ich auch ihre Telefonnummer. Wir waren an einem Wochenende zum Kanufahren verabredet gewesen und Tom und Bee hatten sich irgendwie verfranst und den Treffpunkt nicht gefunden. Da hatte er mich von ihrem Telefon aus angerufen.
Wenn ich ihn heute Abend nicht erreichen würde, wäre das eine Möglichkeit herauszubekommen, wie schlimm die Situation war.

Gegen Mittag setzte ich mich mit Jasmin zusammen und wir gingen die Geschehnisse der letzten Woche durch. Es war nichts Nennenswertes passiert, keine Dramen, keine großartigen Erfolge. Daher brauchten wir nicht lange und ich war schnell wieder allein in meinem Büro. Die gute Laune und die Erholung des Urlaubs waren einem unguten Gefühl gewichen. Ich machte mir Sorgen um Tom. Die ganze Situation um seinen Opa nahm ihn sehr mit. Eigentlich wäre es dem alten Herrn zu wünschen, dass er bald friedlich einschlafen würde und keine Qualen leiden müsste. Dass er nicht erleben müsste, wie er von fremden Menschen gewaschen und gepflegt wird. Dass er in Würde gehen konnte.
Ich seufzte und machte mich wieder an die Arbeit. Am Nachmittag rief mich Maja an, um mir zu erzählen, dass wir noch weitere Zusagen für den Lesemonat erhalten hatten. Ich freute mich mit ihr und berichtete ihr von Tom.
„Oh, das klingt nicht gut. Aber vielleicht will er auch nur seine Mutter unterstützen oder sowas.“ Maja hatte recht. Vielleicht malte ich mir auch nur übertriebene Horrorszenarien aus. Vielleicht waren Arbeit und Familie momentan ein bisschen viel und er brauchte Zeit, um Kraft zu tanken.

Gegen neun Uhr klingelte mein Telefon. Tom. Ich hatte früher am Abend versucht ihn zu erreichen, aber sein Handy war abgeschaltet. Ich hatte dann doch nicht Bee angerufen, das schien mir zu dramatisch.
„Hallo Tom! Wie geht es dir? Ich hab gehört, du bist krank.“
„Sady …“ Seine Stimme klang müde, kraftlos. „Es geht so.“
Ich wusste nicht, ob ich nachhaken sollte.
„Mein Opa. Er ist Freitag gestorben.“ Ich schluckte. Also doch. Wie reagierte man jetzt angemessen? Ich wusste genau, wie Trauer sich anfühlte, welche Stadien man durchlief. Und doch wusste ich nicht was ich sagen sollte. Warum hatte ich angerufen? Ich hätte hinfahren sollen! Mein Magen zog sich zusammen.
„Oh Tom! Das tut mir so leid.“ Er atmete schwer und schluckte. Er bemühte sich, die Fassung zu bewahren.
„Es ist besser so für ihn“, sagte er und räusperte sich.
„Und trotzdem ist es schlimm.“ Eine Pause entstand.
„Kann ich dir irgendwie helfen? Soll ich in der Agentur Bescheid geben?“
„Das wäre gut.“
„Gut. Mach dir keine Sorgen wegen der Arbeit. Das bekommen wir alles hin. Kümmere du dich um deine Familie. Das ist jetzt wichtiger.“
„Hmm.“ Ich konnte seinen Schmerz beinahe fühlen. Und doch konnte ich ihm nicht helfen.
„Tom …“
„Hmm?“
„Du weißt, du kannst jederzeit anrufen, wenn was ist.“
„Ja.“
Pause.
„Gut, ähm, dann …“, ich seufzte.
„Die Beerdigung ist am Donnerstag.“ Toms Stimme war rau, so als hätte er sie lange nicht benutzt.
„Okay.“ Mensch Sady, sag irgendwas!
Pause.
„Ich muss jetzt Schluss machen.“
„Ist gut.“
„Tschüß.“ Tom legte auf.
Ich legte das Telefon neben mich und rollte mich auf der Couch zusammen. Obwohl es draußen noch um die 20 Grad hatte, war mir kalt.

Chapter 13

Sonntagabend reisten Maja und ich auf Sylt an. Unser Hotel hielt was es versprach. Die reetgedeckten Häuser waren wunderschön und einladend. Am Empfang wurden wir mit einem Glas Champagner begrüßt, bevor man uns unter das Dach führte. Unser Zimmer war in einem warmen Crémeton gehalten. Das Ambiente war schlicht aber stilvoll und elegant. Auf einem kleinen Tischchen stand frisches Obst bereit und die Betten waren ein Traum aus weißen, weichen Kissen. Wir fühlten uns wie zwei Prinzessinnen.
Nachdem wir unsere Taschen ausgepackt hatten, machten wir uns auf zu einem Streifzug durch das Gebäude. Es gab einen gemütlichen Wellnessbereich, der keine Wünsche offen ließ, einen eleganten Speiseraum und zwei hauseigene Restaurants. Maja und ich gönnten uns ein leckeres Abendessen, stießen noch einmal auf ein paar entspannte Urlaubstage an und ließen den Abend bei einem Strandspaziergang ausklingen.

Am nächsten Morgen wurden wir von Sonnenstrahlen geweckt, die durch die Vorhänge blitzten. Ich hatte tief und fest geschlafen, wie ich es nur selten in einem fremden Bett tat. Ein Blick auf die Uhr verriet, dass es bereits kurz nach 10 Uhr war. Zum Glück gab es Frühstück bis 12 Uhr, so dass wir es trotz allem ruhig angehen lassen konnten.
Es folgten drei, vier sonnenverwöhnte Tage. Wir hatten uns Fahrräder ausgeliehen und erkundeten die Insel auf sportliche Weise, lagen mit einem dicken Schmöker im Strandkorb, warfen uns in die kalten Fluten der Nordsee und klönten ausgiebig.
Am letzten Tag wollten wir faul sein und hatten es uns in einem Strandkorb gemütlich gemacht.
„Ach, warum muss ein so toller Urlaub immer so schnell vorbei sein?“ Maja, lag in ihrem türkisfarbenem Bikini neben mir und reckte ihr Gesicht der Sonne entgegen. „Ich könnte ewig hier bleiben.“
„Das wäre toll. Aber leider kann ich mir das keinen Tag länger leisten.“
Maja lachte. „Spielverderber!“
Ich blinzelte sie an. „Aber du hast recht. Eine Woche ist viel zu kurz. Aber zum Glück haben wir noch das Wochenende in Hamburg und müssen nicht sofort wieder in den Alltag zurück.“
„Ja, das stimmt. Obwohl ich mein Lädchen schon ein bisschen vermisse.“
„Das glaube ich dir gerne. Auf die Agentur könnte ich derzeit allerdings dankend verzichten.“
„Hmm. So schlimm?“
Ich überlegte. „Nee, eigentlich nicht. Aber schön ist es auch nicht. Es läuft einfach nicht rund momentan.“
Jetzt blinzelte Maja auch mich an.
„Aber lass uns darüber nicht jetzt reden. Wir haben Urlaub, traumhaftes Wetter und Probleme und dunkle Gedanken haben Inselverbot.“
Maja setzte sich auf, kramte in ihrer Tasche und holte eine Dose mit Weintrauben heraus. Aus der Kühlbox – ja, wir waren erstklassig vorbereitet – holte sie eine Flasche Sekt und öffnete sie mit einem „Plopp“.
„Auf unseren Urlaub!“ Wir stießen mit Plastiksektgläsern an und naschten Obst. Danach sanken wir zurück in den Strandkorb und ließen uns von der Sonne verwöhnen. Wären wir Katzen gewesen, hätte man uns ganz laut schnurren gehört, so zufrieden waren wir.

Bevor wir am nächsten Tag zurück nach Hamburg mussten, wollten wir die Urlaubswoche am Abend mit einem tollen Essen beenden. Wir hatten vor zwei Tagen am Strand Paula und Jutta kennengelernt. Mutter und Tochter kamen auch aus Hamburg und gönnten sich ein Mal im Jahr ein paar Tage allein. Sie hatten uns ein kleines Restaurant am Strand empfohlen, in dem es leckeren gegrillten Fisch gab. Wir hatten einen Tisch bestellt und uns später mit den beiden auf einen Absacker dort verabredet.
„Bin ich satt! Und es war so lecker!“
„Allerdings. Aber ich könnte nicht einen Bissen mehr essen.“
„Nachtisch müssen wir wohl verschieben.“
„Ja bitte.“
„Wie spät ist es eigentlich?“
„Kurz nach neun. Paula und Jutta hatten sich für halb zehn angekündigt. Das passt ganz gut.“
„Bis dahin kann ich auch wieder normal atmen.“
Wir mussten lachen. Obwohl wir Fisch mit Gemüse gegessen hatten, waren wir so satt, dass wir uns kaum noch bewegen konnten.
„Lass uns einen Espresso bestellen, das ist jetzt genau richtig.“
Wir plauderten über dies und das, als Paula und Jutta zu unserem Tisch kamen.
„Na ihr beiden“, sagte Jutta lachend, „ ihr seht so aus, als hätte es geschmeckt.“
„Hallo ihr zwei! Es war phantastisch. Lieben Dank für den Tipp!“
Die beiden setzten sich zu uns.
„Wie war euer Tag? Ihr habt auch gut Sonne abbekommen, was?“ Die beiden hatten rote Wangen und Nasen und goldene Strähnen in ihrem dunkelblonden Haar.
„Wir waren faul und haben den ganzen Tag am Strand verbracht. Und ihr?“
„Wir auch.“ Wir lachten.
„Perfekt. Worauf habt ihr Lust? Sollen wir eine Flasche Wein bestellen oder lieber Cocktails?“
„Oh, ich hab Lust auf einen Cocktail,“ sagte ich. „Irgendetwas fruchtiges.“
„Ja, ich auch.“
„Gut, dann lasst und bestellen.“ Jutta winkte den Kellner heran und bat um die Karte.
Paula war wie Maja und ich Ende zwanzig und hatte Medizin studiert und sich auf eine Assistenzstelle in England beworben. Jetzt wartete sie ungeduldig auf Antwort. Jutta, Mitte fünfzig, arbeitete als Technische Zeichnerin in einem Architekturbüro und man merkte ihr an, dass in ihrer Brust zwei Herzen schlugen. Einerseits hoffte sie mit ihrer Tochter auf die Stelle in einer renommierten Klinik, andererseits wollte die Mama in ihr das Töchterchen nicht in die weite Welt ziehen lassen.
Unsere Cocktails wurden serviert und wir stießen auf einen schönen Abend an.
„Prost Mädels! Schön, dass wir uns getroffen haben“, freute sich Jutta.
„Prost! Und das wiederholen wir bald mal in Hamburg.“
„Unbedingt. Zum Glück ist Sylt ein ferner Stadtteil von Hamburg und man lernt hier viele ‚Nachbarn’ kennen.“

Der Abend endete spät und feucht-fröhlich. Gegen drei Uhr morgens verabschiedeten wir uns von den beiden anderen und machten uns mit einem ordentlichen Schwips Richtung Hotel auf.
Am nächsten Morgen genossen wir ein ordentlichen Frühstück und fuhren gut erholt bei strahlendem Sonnenschein nach Hamburg zurück.

Chapter 12

Ich kam spät aus der Agentur und wollte nur noch meine Ruhe. Der Tag war sehr anstrengend gewesen. Ich wusste, dass sich unser Team nichts vorzuwerfen hatte. Dennoch setzte mir der Anpfiff vom Chef zu. Ich freute mich auf ein heißes Bad, ein Glas Wein und dann einfach nur noch ab ins Bett. Ich musste nur noch zwei Tage überstehen, dann hatte ich eine Woche Urlaub.
Ich machte mir Sorgen wegen Tom. Wenn er jetzt ausfallen würde, wäre mein Urlaub in Gefahr. In seiner momentanen Stimmung war dem Chef zuzutrauen, dass er uns vor die Wahl stellte und nur einer Urlaub nehmen konnte. Ich wünschte mir sehr, dass es nicht dazu kommen würde.
Ich ließ heißes Wasser in die Wanne laufen, gab einen Schuss Badezusatz hinzu und entkorkte eine Flasche Rosé. Manche Tage müsste man aus dem Kalender streichen können.

Am nächsten Morgen fuhr ich eine Stunde früher ins Büro. Ich wusste nicht, ob Tom zurück war und seine Arbeit musste auch erledigt werden, zumindest das Nötigste. Da unser Team nicht sehr groß war und ich bereits die letzten Wochen immer mal bei ihm eingesprungen war, lag es nahe, dass ich ein Auge darauf haben würde. Aber auch ich musste meine Arbeit „urlaubsfein“ machen und für Jasmin zur Übergabe vorbereiten.
Als ich in der Agentur ankam, war Tom bereits da. Zum Glück! Ich hatte keine Lust auf meinen Urlaub zu verzichten, auch wenn das im Vergleich zum Verlust eines geliebten Menschen nicht so schlimm war.
„Ich hab eine Teambesprechung für 10 Uhr einberufen – ohne Mr. P. Wir sollten versuchen, das Beste aus der Situation zu machen, und können zeitgleich die Urlaubsübergabe besprechen.“ Tom stand in meiner Bürotür, während ich mein Jackett auf den Bügel hing und meinen Rechner hochfuhr.
„Das ist eine gute Idee. Wer weiß was da noch so kommt. Bei unserem Glück verlieren wir auch das nächste Projekt oder der Autor schlägt nicht so ein wie erwartet.“
„Mal den Teufel nicht an die Wand!“
„Wie geht es dir? Du siehst besser aus. Was macht dein Opa?“
Tom seufzte. „Es war ein Schwächeanfall. Es geht ihm den Umständen entsprechend. Lass uns ein anderes Mal darüber sprechen, ja?“
„Okay.“ Ich sah ihn prüfend an, aber seiner Miene war nicht zu entnehmen, ob er die Situation nur herunterspielte oder ob er einfach nur zu müde war, um darüber zu sprechen.
„Tom, ich hab mit Jasmin abgesprochen, dass sie meine Vertretung dieses Mal macht. Dann wäre es kein Problem, wenn du spontan, na ja … weg müsstest.“
„Hmm.“
Wir dachten beide daran, dass es beim nächsten Mal das letzte Mal sein könnte, dass er zu seinem Opa gerufen wird. Ich wollte ihn gern auf Bee ansprechen. Ihn fragen, was sie zu der ganzen Situation sagte. Aber ich traute mich nicht. Beim letzten Mal war das nicht so gut angekommen. Und eigentlich ging es mich auch nichts an.
„Okay, wir sehen uns dann später. Wir könnten auch noch zusammen Mittag machen? Bist ja nächste Woche nicht da.“
„Sehr gerne. Bis später dann!“

Der Tag verlief ruhig. Keiner von uns hatte bahnbrechende Ideen, wie wir die vertrackte Situation lösen konnten, also entschieden wir uns, einfach wie bisher weiter zu machen und hofften, dass das nächste Projekt erfolgreicher war.

Am Freitag übergab ich meine Sachen Jasmin und verabschiedete mich von Tom.
„Halt die Ohren steif!“
„Ja, ja. Es wird schon. Genieß du mal richtig deinen Urlaub und lass dir den Wind um die Ohren wehen. Dann kannst du schön entspannt hier ins Chaos zurückkehren.“ Er grinste mich schief an.
„Ich werde mir dort einfach einen reichen Schnösel schnappen und dann bin ich nur noch Hausfrau. Ihr werdet schon sehen, was ihr davon habt!“.
Wir mussten beide lachen.
„Viel Erfolg!“

Chapter 11

„Gut, gehen wir alles noch einmal durch: wir haben von 20 Autoren Zusagen erhalten, alles schriftlich festgehalten und im grünen Ordner abgeheftet. Die Konditionen sind geklärt. Wir haben Kontaktdaten, so dass wir bei Problemen jederzeit wen erreichen, und zwei, drei Alternativautoren hätten wir auch, falls einer ausfällt. Pro Lesung sind 30-40 Eintrittskarten verkauft worden, ausreichend Sitzmöglichkeiten haben wir, für Snacks danach sorgt deine Mutter, ausreichend Flyer vom Lädchen wurden gestern geliefert … so, noch irgendwas?“
„Ich hab alles auf der Checkliste abgehakt“, Maja knabberte nervös an ihrem Stift.
„Maja, alles ist gut. Nach unserem Urlaub haben wir noch 2 Wochen, bis dein Lesemonat beginnt. Und selbst dann kommen erstmal nur 4 Autoren in der ersten Woche dran. Wir schaffen das! Du wirst sehen es wird richtig gut werden.“
Maja war sehr aufgeregt, was die Leseveranstaltungen anging. Solche Events zu organisieren waren etwas Neues für sie. Ich versuchte sie so gut es ging zu beruhigen und hoffte darauf, dass alles glatt laufen würde und Maja dadurch wieder entspannter. Die Werbung für den Krimimonat war bei der Kundschaft des Lädchens gut angekommen. Wir setzten darauf, die Lesung persönlich zu halten und nicht zu viele Besucher einzuladen, so dass der Charme von Majas kleinem Buchladen mit seinen Sofas und Sesseln nicht verloren ging. Helena, Majas Mama, war sofort Feuer und Flamme und versprach für das leibliche Wohl während der Lesungen zu sorgen. An vier Abenden pro Woche sollte einen Monat lang den Krimifans das Gruseln gelehrt werden.
Bis zu unserem tollen Urlaub auf Sylt war es nur noch eine Woche. Wir hatten uns tatsächlich für das tolle Hotel entschieden und konnten es kaum noch abwarten, endlich, endlich in diesem traumhaften Ambiente zu entspannen.

Als ich am Mittwoch in die Agentur kam, herrschte bereits angespannte Geschäftigkeit. Hatte ich etwas verpasst? Als ich gestern ging, war alles ruhig. Kein großes Projekt kurz vor der Deadline, keine dramatischen Wendungen in Sicht. Aber so war das meistens. Unheilvolle Dinge kündigten sich selten an, sie trafen einen wie ein Blitz aus dem Nichts. So auch an diesem Tag. Ich schaltete meinen Rechner an und wartete darauf, auf meinen Posteingang zugreifen zu können. Ich hatte fünf neue Mails, drei davon von Mr. P. Das ließ mich nichts Gutes ahnen.
Der Deal mit einem vielversprechenden Autor war geplatzt. Eine andere Agentur hatte am Ende den Zuschlag erhalten und nun mussten wir unseren Kopf hinhalten. In einer halben Stunde war ein Meeting angesetzt. Fantastisch. So etwas passierte, es gehörte einfach zum Geschäft dazu. Natürlich war es alles andere als erfreulich. Die ganze Arbeit war umsonst gewesen und wenn sich herausstellen sollte, dass der Autor den Erwartungen entsprach oder diese sogar übertraf, war das eine gewaltige Niederlage. Es war richtig, zu analysieren, aus welchen Gründen der Autor die Agentur gewechselt hatte.
Mir war klar, dass dieses Meeting einem vernichtendem Wirbelsturm gleichkommen würde. Jetzt hieß es, erhobenen Hauptes in die Höhle des Löwen zu gehen und das Unwetter über sich ergehen zu lassen. Die nächsten Tage würde Eiszeit herrschen, doch dann würden sich die Wogen glätten. Neue Projekte würden bearbeitet werden und das Drama wäre (hoffentlich) vergessen.
Tom saß in seinem Büro und schien ebenso begeistert zu sein, über den anstehenden Termin, wie ich.
„Was für ein Morgen! Als wenn nicht so schon alles anstrengend genug wäre, müssen wir uns jetzt auch noch den Kopf abreißen lassen.“ Tom rief sich müde die Augen.
„Augen zu und durch. Hilft ja leider nichts. Ich wüsste auch nicht, was wir anders hätten machen sollen. Wenn die andere Agentur bessere Konditionen hat als unsere, dann ist das eben so. Mr. P wollte nicht das kleinste Zugeständnis machen. Was hätten wir also tun sollen?“
„Sag ihm genau das und du kannst deine Sachen packen.“
„Ich weiß.“
Wir saßen schweigend in Toms Büro und warteten, dass das Meeting anfing. Nicht, dass ich es kaum hätte abwarten können, aber je schneller es anfing, desto schneller war es auch wieder vorbei.

Der Termin mit Mr. P verlief schlimmer als erwartet. Er schrie und tobte, dass die Wände wackelten. Es war egal was wir sagten, es machte es nicht besser. Nach einer dreiviertel Stunde schlichen wir zurück in unsere Büros. Selbst die Dollberg zog mit gesenktem Kopf ab.
Ich schloss meine Bürotür hinter mir und setzte mich an meinen Schreibtisch. Solch ein Donnerwetter war nie schön, selbst wenn man wusste, dass es nicht unbedingt gerechtfertigt war. Ich brauchte jetzt ein bisschen Ruhe, keine Kollegen, nur meine Arbeit.
Ich hatte gerade ein Manuskript geöffnet, als es an meiner Tür klopfte und Tom in mein Büro trat.
„Sady, ich muss weg. Mein Opa liegt wieder im Krankenhaus.“ Was für ein Timing.
„Scheiße. Oh man, das tut mir leid.“ Ich stand auf legte ihm eine Hand auf den Arm.
„Kann ich dir irgendwie helfen?“ Ich hatte Tom selten so müde und erschöpft gesehen.
„Ich fahr erstmal hin. Dann werd ich weiter sehen. Tut mir leid, dass ich dich jetzt hier mit dem Schlamassel hängen lasse. Aber ich muss da jetzt hin.“
„Ach, hör auf! Das versteh ich doch. Ich grab mich hier ein, und mach weiter wie gehabt. Du kannst an der Situation jetzt auch nichts mehr ändern. Fahr zu deiner Familie.“
„Danke.“
„Und meld dich, wenn irgendwas ist!“
„Das mach ich.“ Mit hängenden Schultern verließ Tom mein Büro. Er tat mir leid. Die Situation mit seinem Opa sah nicht gut aus. Allen war klar, dass das Ende bevor stand. Es war auch das Beste für den alten Mann, aber für die Angehörigen war jeder Verlust schlimm. Ich hoffte, dass es schnell gehen würde.

Chapter 10

Die folgenden Wochen verliefen im immer gleichen Alltagstrott. Die Arbeit in der Agentur stapelte sich bergeweise, was einerseits schön war, denn ich überarbeitete gerne Manuskripte, setzte mich mit Autoren in Verbindung, organisierte Lesereisen und solche Dinge. Andererseits arbeitete ich dabei gern auf meine Weise und nicht mit dem Anstandswauwau des Chefs.

Tom versuchte weiterhin Familie und Job halbwegs gerecht zu werden. Seinem Opa ging es immer schlechter. Inzwischen war er in ein Pflegeheim verlegt worden und die Oma wohnte nun ganz allein im großen Haus. Es war keine gute Lösung, aber Alternativen gab es nicht wirklich. Tom versuchte so gut es ging, sich nichts anmerken zu lassen, aber die Situation belastete ihn sehr. Er machte seine Arbeit gerne, was aber oftmals hieß bis spät abends in der Agentur zu sein. So gab es immer einen Gewissenskonflikt – wollte er seiner Familie beistehen, musste er auf irgendeine Weise seine Arbeit vernachlässigen; arbeitete er lange, um ein Projekt voranzutreiben, hatte er das Gefühl, seine Familie im Stich zu lassen. Ich versuchte, ihn so gut es ging zu entlasten und verbrachte sehr viel Zeit an meinem Schreibtisch oder nahm Arbeit mit nach Hause. Eine weitere Kollegin (neben der Dollberg) war uns zugeteilt worden, so dass wir etwas mehr Luft hatten. Trotz allem freute ich mich auf ein paar freie Tage. Ich hatte für Anfang August Urlaub eingereicht und schmiedete mit Maja bereits Pläne, auf eine der Nordseeinseln zu fahren. Das Wetter sollte gut werden und so freuten wir uns auf Sonne, Meer und gute Bücher.
Vorher hieß es aber, neben der Arbeit noch Majas erste Lesereihe im Buchlädchen zu organisieren. Sie hatte sich entschlossen zwei verschiedene Varianten auszuprobieren. Sie wollte einen Lesemonat mit diversen Krimiautoren ausprobieren. Plan war es, Autoren einzuladen, die ihre neuesten Thriller und Krimis vorstellten und aus ihnen vorlasen und im Anschluss gab es eine Fragestunde mit den Lesern. Um auch die ganze junge Kundschaft auf Dauer anzuziehen, sollte es jeden zweiten Samstagvormittag zwei Lesestunden für Kinder geben. So konnten die Eltern entspannt ihren Wochenendeinkauf erledigen oder sich mit Freunden treffen und die Sprösslinge waren gut unterhalten. Majas Schwester Mia war Pädagogin und wollte bei der Betreuung der Kinder helfen. Denn auch wenn die geladenen Autoren Kinderbücher geschrieben hatten, war nicht davon auszugehen, dass diese auch eine ganze Horde ihrer Leserschaft zwei Stunden lang im Griff hatte. Für beide Veranstaltungen hatten wir schon einige Zusagen von Autoren, warteten aber noch auf ein paar weitere.
Der Lesemonat war für nach unserem Urlaub angesetzt. Wir wollten die Organisation dennoch vorher abgeschlossen haben, so dass wir die Tage am Meer auch wirklich genießen konnten. Alles in allem sah es schon gut aus, es fehlte nur noch der Feinschliff.
Das freie Arbeiten machte mir viel mehr Spaß als meine „richtige“ Arbeit im Büro. Manchmal dachte ich darüber nach, mich selbständig zu machen, meine eigenen Projekte durchzuführen und verschiedene Bereiche zu kombinieren. Leider hatte ich weder eine reiche Erbtante noch spielte ich Lotto. Und ein Banküberfall erschien mir doch etwas zu riskant. Ich konnte stundenlang davon träumen, wie mein Büro aussah, klein aber fein in einer schicken Hamburger Gegend; wie es wäre, mein eigener Chef zu sein und der von ein paar Mitarbeitern. Der Start würde schwierig werden, aber ich hatte in den letzten Jahren ein paar gute Kontakte geknüpft, durch die der Einstieg etwas leichter werden würde. Majas Lädchen würden wir mit den geplanten Lesungen gut in Fahrt bringen, so dass ich auch sie zu meinen Kunden würde zählen können.
Ich träumte noch eine Weile vor mich hin. Dann sah ich, dass ich eine Email von Maja erhalten hatte.

Hey Sady, geh mal auf die Seite http://www.aarnhoog.de/keitum/go.php
Wie findest du das Hotel? Das ist doch toll, oder? Ich weiß, ganz schön teuer, aber frau gönnt sich ja sonst nichts! Genau richtig für unseren Urlaub im August. Ben ist neidisch, dass er keine Zeit hat und uns Mädels allein fahren lassen muss :)
Meld dich bald, damit wir noch ein Zimmer mit Meerblick ergattern!!
Küsschen
Maja

Das Hotel war traumhaft schön – und traumhaft teuer. Aber Maja hatte recht. Wir mussten uns eine richtige Auszeit gönnen und das Hotel versprach Urlaub vom Feinsten. Ich lud Maja am Abend auf einen Wein zu mir ein. Gemeinsam machte das Urlaub buchen doch gleich viel mehr Spaß.

Chapter 9

Sonntagmorgen wachte ich gegen 10 Uhr auf. Froh darüber, dass es diesmal eine für das Wochenende angemessene Uhrzeit war, drehte ich mich noch einmal um, schaltete das Radio an und genoss es, faul zu sein. Ich hatte mir vorgenommen, dem Sonntag alle Ehre zu machen und mich ausgiebig dem Nichtstun zu widmen. Mein Krimi näherte sich dem Ende und wartete bereits ungeduldig darauf gelesen zu werden. Außerdem sollte ich mich etwas eingehender mit der Hochzeitseinladung auseinandersetzen. Ich hatte letzte Woche zugesagt, und nachgefragt, ob es eine Art Hochzeitstisch gab. Eigentlich war so etwas nichts für mich, ich schenkte nicht gerne nach Vorgabe. Aber es gab nun einmal diesen Brauch.
Nach einem ausgiebigen Frühstück setzte ich mich auf den sonnigen Balkon und verschwand für ein paar Stunden in Philadelphia zur Mörderjagd. Tiffi & Co. waren im nachbarlichen Garten natürlich auch wieder mit am Start, so dass der Sonntag ganz traditionell von statten ging. Bei Wein und Tatort ließ ich den Tag ausklingen. Bevor ich ins Bett ging, rief ich meine Mails ab. Jenny hatte mir geantwortet und ein paar Informationen zur Hochzeit geschickt – Farbwünsche bei der Kleiderordnung sowie eine Geschenkeliste. Und die hatte es in sich! Die Wünsche lagen preislich zwischen 100 und 250 Euro. Wow! Ich war entsetzt. Ich war in einem Alter, in dem im Jahr zwei bis drei Hochzeiten anstanden. Ich sollte mir wohl so langsam Gedanken über einen Kredit machen. Inklusive Anreise und neuem Kleid – die Wunschfarben der Braut passten nicht zu meinem üblichen Hochzeitsoutfit – kamen schnell 300 bis 400 Euro zusammen. Nicht genug, dass ich alleine dort würde hingehen müssen, nein, es würde mich finanziell auch noch ruinieren. Ich speicherte etwas schockiert die Liste ab und entschied, die Entscheidung bezüglich eines Geschenks zu verschieben.

Am nächsten Morgen verdrängte ich den Gedanken an die Hochzeit mitsamt dem ganzen Drum und Dran und begab mich in die Agentur. Dort angekommen stapelten sich bereits diverse Post-Its auf meinem Schreibtisch. Dringend!Rückruf!Bis vorgestern! Das klang nach einer anstrengenden Woche. In meinem Postfach sah es ähnlich aus. War ich denn die Einzige, die am Wochenende nicht gearbeitet hatte? Kaum, dass ich mich in die Arbeit vertieft hatte, kam eine Terminanfrage von Mr. P. Was für ein Wochenstart!
Tom klopfte an meine Tür.
„Komm rein, wenn dich Chaos nicht stört“, sagte ich halb im Scherz.
„Bei dir auch so ein Stress?“ Er sah ganz schön fertig aus.
„Ja. Wie geht es dir denn?“
„Na ja. Die Projekte laufen alle halbwegs. Nur die Dollberg mischt sich ständig ein. Als wenn sie keine eigenen Projekte hätte!“ Ich schaute ihn vielsagend an.
„Und zu Hause ist es auch etwas anstrengend. Opa will nicht ins Heim, er sagt, es geht schon irgendwie. Oma will nicht alleine in dem Haus bleiben und weint ständig. Und meine Ma sitzt zwischen allen Stühlen. Denn zu sich nehmen kommt auch nicht in Frage.“
„Oh man. Klingt fantastisch. Wie geht es ihm denn?“
„Frag nicht. Er war ja vorher schon vergesslich, aber jetzt ist es richtig schlimm. Dazu kommt, dass er extrem wackelig auf den Beinen ist und eigentlich rund um die Uhr Pflege braucht. Das ist teuer, wir können das alles aber auch nicht selbst leisten. Meine Ma kann ja schlecht ihre Arbeit aufgeben.“ Tom sah müde aus.
„Was sagt denn Bee dazu? Kannst du denn ab und an zu ihr ‚flüchten’?“
„Ja, das geht schon. Aber ich glaube, ihr ist das alles ein bisschen viel.“ Wie bitte?! Verständlich, dass das keine einfache Situation ist, aber Tom brauchte ihre Unterstützung. Tom sah mir meine Gedanken an.
„Sie hilft mir wirklich sehr, aber es ist eben nicht ihre Familie. Ich kann verstehen, dass sie die Belastung nicht auf sich nehmen will.“
„Ach, und du hast eine Wahl, oder was?!“
„Was soll das denn jetzt?“ Tom funkelte mich böse an.
„Entschuldige, ist nicht mein Tag heute. Ich finde es nur selbstverständlich, für den anderen da zu sein, wenn er eine schwere Zeit durchmacht.“
„Das ist sie.“
„Gut.“
„Pack das Kriegsbeil wieder ein, ich kann nicht auch noch mit dir Stress haben.“ Schön, dass Männer so unkompliziert waren. Ich lächelte ihn an.
„Hast ja recht. Lass uns einen Kaffee holen und dann über die zwei neuen Projekte reden. Mr. P hat es nicht gern, wenn wir unvorbereitet sind.“
„Aber unsere Vorbereitung wird seinen Ansprüchen auch nie gerecht …“ Ich seufzte.
„Sehr motivationsfördernd, Tom. Danke.“

Das Meeting verlief wie immer. Jeder stellte seine aktuellen Projekte vor, Mr. P gab seinen Senf dazu und am Ende war nichts klarer als vorher. Tom und ich bekamen die Dollberg zugeteilt, damit „sichergestellt ist, dass die Projekte so ablaufen, wie ich das wünsche“. O-Ton Mr. P. Äh ja, genau. Ich arbeitete nicht gerne mit dieser Frau zusammen (falls das noch nicht so ganz rüber gekommen war), und schon gar nicht, wenn ich drohte unter Arbeitsbergen zu versinken. Sie wusste immer alles besser und liebte es, bis spät in die Nacht und am Wochenende zu arbeiten – und alle anderen Projektbeteiligten auch zu diesen Zeiten zu kontaktieren. Aber es half nichts.

Chapter 8

Schweißgebadet wachte ich auf. Mein Herz klopfte wild, eine undefinierbare Angst hatte mich fest im Griff. Ich hielt den Atem an und lauschte in die tiefe Nacht. Irgendwo schrie eine Katze, in der Ferne rauschten Autos die Straße entlang. Ich war zu Hause, in meinem eigenen Bett, alles war in Ordnung. Mein Herzschlag normalisierte sich. Ich rollte mich auf die Seite, zog die Decke bis über beide Ohren und versuchte den Traum abzuschütteln. Ich konnte mich nicht genau erinnern, wovon er handelte, aber er hinterließ ein beklemmendes Gefühl. Solche Träume überfielen mich ab und an. Überraschenderweise dann, wenn es mir ziemlich gut ging, ich einen tollen Abend hatte oder rundum glücklich und zufrieden war. Vielleicht waren sie eine Warnung, dass man nie vergessen sollte, das Gute zu wertschätzen, denn es konnte schnell vorbei sein.
Ich lag eine ganze Weile wach, bis mir klar wurde, dass ich nicht mehr einschlafen würde. Ich sah auf die Uhr, 4:38. So viel dazu, dass Wochenende war und ich ausschlafen konnte. Ich ging in die Küche und setzte Teewasser auf. Am Horizont färbte sich der Himmel rosa. Es würde ein sonniger Tag werden. Mit einer dampfenden Tasse Schwarztee ging ich zurück ins Bett. Ich konnte genauso gut jetzt Majas Konzept ausarbeiten, an Schlaf war nicht mehr zu denken. Ich überlegte hin und her, ging verschiedene Möglichkeiten durch – regelmäßige Lesungen zu verschiedenen Themen, eine Lesewoche über Krimis, Kindersamstage, monatliche Leseabende für Frauen. Ich tauchte ein in meine Arbeit und erstellte am Ende drei verschiedene Konzepte. Maja sollte selbst entscheiden, was am Besten für sie und ihr Lädchen passte.
Es war inzwischen kurz vor acht. Noch immer hatte ich das Gefühl, dass mir der Traum anhing. Ich musste raus. Rasch zog ich meine Laufsachen an und fuhr an die Alster. Dort angekommen stöpselte ich mir Musik ins Ohr und lief los. Trotz der frühen Stunde waren schon einige Läufer unterwegs. Als Belohnung gab es klare Luft, die langsam von der Sonne erwärmt wurde und silbern glitzerndes Wasser gekrönt von ersten weißen Seegelbootzipfeln. Ich merkte, wie der Traum nach und nach verblasste und meine Laune stieg. Als ich meine Runde beendet hatte war es warm geworden. Auf dem Heimweg hielt ich bei einem Bäcker an und kaufte mir 2 Croissants. Nach diesem Start ins Wochenende konnte ich mir die getrost gönnen.
Ich schloss die Tür auf und mein Blick wanderte sofort zum Anrufbeantworter. Ich weiß, es war total albern, aber irgendwie hoffte ich, dass dieser Marc wieder anrufen würde. Das Licht blinkerte. Oh! Mein Herz machte einen Hüpfer. Ich machte einen Satz durch den Flur und hörte die Nachricht ab.
„Nein, es ist nicht Marc, es bin nur ich“, Maja lachte. Ein bisschen enttäuscht ließ ich mich auf die Couch im Flur fallen und zog meine Laufschuhe aus.
„Ich wollte fragen, ob du Lust auf eine Kanutour hast? Schläfst du noch? Ok, wenn du wach bist, dann ruf zurück. Wir wollten so gegen zwei am Bootsverleih sein. Bis später!“
Wie kann man nur so albern sein und hoffen, dass ein Typ, der sich lediglich verwählt hatte, noch mal anrufen würde? Und dann? Warum sollte er das auch tun? Ich kannte diese Tina schließlich nicht und konnte ihm also auch nicht helfen. Seufzend stand ich auf und kochte mir einen Kaffee. Kanutour klang gut. Mit Maja und Ben war das immer ein Heidenspaß. Ich könnte noch schnell ein paar Muffins backen und als Proviant mitnehmen. Ich rief Maja zurück und sagte ihr zu.

Wir verbrachten einen sehr lustigen Nachmittag auf Hamburgs Kanälen. Wie erwartet kamen die Muffins gut an. Maja hatte Prosecco dabei, so dass wir leicht beschwipst unsere Bootstour beendeten. Danach lud Ben uns ein mit zu ihm zu kommen, wo er uns Pizza backen wollte. Ich hatte Maja von meinen Konzepten berichtet und mich mit ihr für Montagmittag verabredet, dann hatten wir genug Zeit ausführlich darüber zu sprechen.
Nun lag ich wieder in meinem Bett. Das ungute Gefühl vom Morgen kam langsam zurück. Ich war hundemüde und konnte doch nicht einschlafen. Ich starrte meine Schlafzimmertür an, ja hypnotisierte sie beinahe. Was, wenn jetzt jemand hereinkommen würde? Was würde ich tun? Mich schlafend stellen? Ich musste nun doch lächeln. Manchmal fühlte ich mich immer noch wie das kleine Mädchen, das Angst vor der vermeintlichen Schlange unterm Bett hatte und deshalb stundenlang wach lag, weil es sich nicht traute aufzustehen und zur Toilette zu gehen, aus Angst, die Schlange könnte sie fressen. Wenn es nicht mehr auszuhalten war hatte ich zuerst unters Bett geguckt, bevor ich dann im Dunkeln ins Bad flitzte. Wer also sollte in meine Wohnung einbrechen mitten in der Nacht? Es gab nichts zu holen und da ich immer den Schlüssel im abgeschlossenen Schloss stecken ließ, würde ich es hören, wenn sich jemand Zutritt verschaffte. Ich redete mir gut zu und fiel in einen unruhigen Schlaf.

Chapter 7

Freitag war Mädelsabend angesagt. Ich fuhr direkt von der Agentur zu Majas Buchlädchen. Ich kannte Maja schon aus dem Kindergarten, und bereits damals war kein Bilderbuch vor ihr sicher. Während unseres Studiums stapelten sich in unserer Wohnung bergeweise dicke Schmöker – Thriller, Schnulzen, Sachbücher, Kinder- und Jungendbücher. Wir hätten jeder Bibliothek Konkurrenz machen können. Vor einem Jahr hatte Maja genug Geld zusammengespart und konnte sich ihren größten Traum erfüllen: ein eigenes Buchgeschäft. Das Buchlädchen war inzwischen mein zweites Wohnzimmer. Es gab nicht nur uralte Regale mit vielen tollen Büchern sondern auch 2 große gemütliche Sofas und 2 Sessel, in denen ich für Stunden versinken konnte. Da Maja wollte, dass niemand nach fünf Minuten wieder ging, gab es auch eine Kaffee-Bar und ihre Mutter versorgte sie jeden Tag mit diversen frisch gebackenen Kuchen.
Als ich ankam, stand Maja neben einer älteren Dame und einem kleinen Mädchen, das vermutlich ihre Enkelin war, vor dem Kinderbücherregal. Das Mädchen strahlte über das ganze Gesicht.
„Wir haben schon in dem großen Buchhaus in der Innenstadt nachgefragt, aber dort konnte man uns nicht helfen. Toll, dass wir das Buch heute noch hier gefunden haben“, freute sich die Dame.
„Es freut mich, dass ich Ihnen helfen konnte. Möchte die junge Dame noch einen Kakao bevor sie mit der Oma zum Schmökern nach Hause geht?“ Die Kleine blickte fragend zu ihrer Großmutter.
„Für Oma haben wir auch Kaffee da“, sagte Maja freundlich an die ältere Dame gerichtet. Oma und Enkelin nahmen das Angebot gerne an und gingen an die Kaffee-Bar. Es freute mich, zu sehen, dass das Buchlädchen inzwischen so erfolgreich lief. Zu Beginn war es schwer sich gegen die großen Buchhäuser durchzusetzen, aber es hatte sich herumgesprochen, dass man hier nicht nur Bücher bekam, sondern auch leckeren Kuchen. Und Maja merkte man ihre Leidenschaft für Bücher an. So hatte sie es geschafft, in knapp einem Jahr einen kleinen Stammkundenkreis aufzubauen.
Ich blätterte gerade in dem Prospekt mit Neuerscheinungen, als Maja zu mir rüber kam.
„Hey Sady! Schön, dass du schon da bist.“ Wir umarmten uns zur Begrüßung.
„Wenn die beiden Ladies fertig sind, mache ich das Lädchen zu. Dann können wir zu Luigi gehen, Pizza essen und Prosecco trinken. Ich hab schon einen Tisch bestellt.“ Auf Maja war Verlass.
„Super, ich komme um vor Hunger!“
„Geht mir ähnlich.“ Maja grinste mich an.
„Es läuft momentan ganz gut, oder?“
„Ja, aber es könnte noch besser sein. Auf jeden Fall komme ich gut über die Runden.“
„Was hältst du denn von einer Lesereihe oder einem festen Lesetag für Kinder, oder sowas?“ Ich hatte schon öfter darüber nachgedacht, dass solche Veranstaltungen gut zu Majas Konzept passten.
„Daran hatte ich auch schon gedacht. Lass uns nachher bei der Pizza weiter darüber sprechen. Da fällt uns sicher noch was Schönes ein.“ Maja hatte immer ein bisschen Angst, ihr Konzept weiter auszubauen. Um konkurrenzfähig zu bleiben, mussten wir aber noch mehr Leser an das Buchlädchen binden. Und ich hatte auch schon eine Idee.
Die ältere Dame und ihre Enkelin verabschiedeten sich von Maja und versprachen, bald wiederzukommen.

Eine Stunde später saßen wir bei Luigi. Das nette italienische Restaurant war nicht weit von Majas Wohnung entfernt und inzwischen zu unserem Lieblingsitaliener geworden. Den ersten Prosecco spendierte uns Luigi meist auf Kosten des Hauses. Wir teilten uns eine große Pizza und danach natürlich Tiramisu. Luigis Tiramisu war das weltbeste, dass ich jemals gegessen hatte.
„Oh man, war das wieder lecker!“ Maja lehnte sich zurück und strich sich Kakaostaub vom Kinn.
„Allerdings. Das bedeutet aber auch eine Runde extra um die Alster. Dieses Tiramisu hat mindestens 2000 Kalorien!“ Wir mussten beide lachen.
Wir gossen uns noch einmal Prosecco nach.
„Sag mal, hat sich eigentlich dieser Typ von deinem AB noch mal gemeldet?“
„Oh, das hätte ich jetzt beinahe vergessen!“ Ich berichtete Maja von Marcs Anruf am Mittwochabend.
„Hmm. Und nun?“
„Was, und nun?!“ Ich sah Maja fragend an.
„Na ja, du hättest ihn fragen können, ob er sich mit dir trifft.“
„Ja, nee, ist klar“, ich musste lachen. „ ‚Entschuldigen Sie, aber wenn Sie mal wieder in Hamburg sind und Ihre Süße keine Zeit hat, hätten Sie dann was dagegen, sich mit mir auf einen Kaffee zu treffen?’ Gute Idee!“
„Stimmt. Bisschen komisch. Schade, aber vielleicht meldet er sich ja noch mal.“
„Warten wir es ab. Aber sag mal, wegen des Lädchens. Was hältst du davon, wenn du regelmäßig Lesungen veranstaltest. Vielleicht auch was für Kinder?“
„Darüber hab ich auch schon nachgedacht, aber ich weiß nicht so recht.“ Maja stützte ihren Kopf auf ihre Hand.
„Was spricht denn dagegen? Dadurch werden noch mehr Leute auf das Buchlädchen aufmerksam und du vergrößerst deine Stammkundschaft. Logisch, dass nur Lesungen stattfinden zu Themen, die zu deinem Ambiente passen.“
„Sady, du hast doch da schon was Konkretes im Kopf, oder?“ Maja lächelte mich an.
„Wir haben da so einen neuen Autor. Der ist noch ziemlich unbekannt und ich dachte mir, eine Lesereise wäre genau das Richtige für ihn. Und zufällig auch genau richtig für dein Lädchen.“ Maja war noch nicht wirklich überzeugt.
„Ich denk da mal über ein Konzept für dich nach und dann sehen wir weiter, was meinst du?“
„So machen wir das.“ Wir stießen an.
„Bellíssimas! Wasse tute ihre feiern?“ Luigi stand bereits mit Nachschub neben unserem Tisch.
„Ach, Luigi, vielleicht sollten wir mal einen italienischen Abend im Buchlädchen machen? Und du steuerst dein phänomenales Tiramisu bei!“ Wir strahlten ihn an.
„Aber natürliche, alles wasse ihre wollt!“ Luigi lachte rollend, tätschelte uns väterlich die Schultern und ging zurück in die Küche.
Wir ließen den Abend gemütlich ausklingen. Mein Auto ließ ich stehen und fuhr mit dem Taxi nach Hause.

Chapter 6

Die folgenden Tage waren ziemlich stressig. Tom verbrachte viel Zeit mit seinem Opa. Er hatte wohl einen Schlaganfall erlitten und es war fraglich, ob er wieder allein würde leben können. Toms Oma war auch nicht mehr die Jüngste und so stand die Familie vor der schweren Entscheidung, den Opa in ein Pflegeheim geben zu müssen. Ich versuchte Tom in der Agentur so gut es ging den Rücken frei zu halten. Das hieß noch 2 Autoren mehr zu betreuen und bei dem tollen Wetter noch mehr Stunden im Büro zu hocken.
Am Mittwochabend war ich zum Laufen verabredet und schaffte es gerade rechtzeitig an die Alster. Ich wollte erst absagen, denn es schüttete wie aus Kübeln, doch als nach 20 Minuten der Regen aufhörte und die Wolkendecke aufriss, wünschte ich mir, es würde weiterregnen. Bei 25°C war die Luft ganz schwer mit Feuchtigkeit. Wie in den Tropen legte sich ein leichter Film auf die Haut, kaum das man zum Stehen gekommen war. Aber es tat gut. Die Anstrengung vertrieb den Stress der Agentur. Ich spürte jede Faser meines Körpers, die Muskeln in den Waden protestierten gegen die Belastung und doch war es genau das, was ich gebraucht hatte. Vollkommen durchnässt und total erledigt beendete ich die Runde und fuhr nach Hause. Ich ließ mir ein heißes Bad ein, öffnete einen Rosé und machte es mir mit meinem Krimi gemütlich. Das heiße Wasser prickelte auf der Haut. Ich spürte wie sich meine Muskeln entspannten. Ich war von Sport nie sonderlich angetan. Und um ehrlich zu sein, fragte ich mich auch jetzt noch regelmäßig, warum ich mir das antat. Aber das Gefühl danach war meistens toll. Man fühlte sich so voller Energie und Leben – auch wenn gewisse Zipperlein erst nach Tagen wieder verschwanden.
Ich war komplett in der Story versunken, als mein Telefon klingelte. Der Mörder beschrieb gerade ausführlich, wie er sein neuntes Opfer auf brutalste Weise hingerichtet hatte und ich zuckte erschrocken zusammen. Seit ich einmal ein Telefon in der Badewanne ertränkt hatte, ließ ich solche Technik nicht mehr in die Nähe meines Badezimmers. Ich wollte aber auch noch nicht aus dem warmen Nass heraus, also ließ ich es klingeln. Der AB sprang an.
„Jetzt mache ich mir aber wirklich Sorgen! Tina, hier ist Marc. Bitte melde dich bei mir! Ich werde noch ein paar Tage länger in London bleiben. Hier noch mal die Nummer: 0044 20 64833980. Meld dich!“
Wie von der Tarantel gestochen sprang ich aus der Wanne. Halt! Stopp! Nicht auflegen!! Zu spät. Als ich am Telefon war, hatte er bereits aufgelegt. Um mich herum bildete sich eine Pfütze mit kleinen Schaumkronen. Ich schlitterte zurück ins Bad, warf ein Handtuch auf die Pfütze und stieg wieder in die Wanne. Zurückrufen konnte ich auch noch in einer halben Stunde.
Marc hieß die Samtstimme also. Und Tina seine Süße. Ich nahm meinen Krimi und widmete mich wieder dem Todesspiel des Mörders. Aber immer wieder schweiften meine Gedanken ab. So viel zu meiner Entspannung. Ich ließ das Wasser raus und kümmerte mich um die nassen Tapsen im Flur. Sollte ich wirklich zurückrufen? Ja, er schien sich Sorgen zu machen.
Ich trocknete mich ab, zog mir etwas Gemütliches an und nahm den Hörer in die Hand. Es klingelte.
„This is the voicemail of Marc Sunders. Please leave a message after the tone or contact my assistant Nancy Wagner under 020 64834781. Thank you.”
Ich legte auf. Prima! Da macht der Herr sich Sorgen und war dann nicht erreichbar!
Eine halbe Stunde später klingelte das Telefon erneut.
„Ja, hallo?“
„Oh, ähm, Tina?“ Er klang verwirrt.
„Nein, hier ist Sady. Sie haben wohl die falsche Nummer. Sie haben mir schon mehrfach auf den AB gesprochen.“
„Oh, verstehe! Entschuldigen Sie bitte! Kein Wunder, dass sie sich nicht meldet. Wahrscheinlich ist sie schon ganz krank vor Sorge, weil ich mich nicht melde!“
„Wahrscheinlich.“
„Entschuldigen Sie nochmals. Aber danke für den Rückruf.“
„Gerne. Haben Sie denn jemanden, den Sie kontaktieren können, um die richtige Nummer herauszufinden?“ Das ging mich überhaupt nichts an!
„Ähm, ich müsste meine Assistentin fragen.“
„Gut.“
„Ja. Sorry. Ich muss jetzt los. Vielen Dank noch mal.“
„Keine Ursache.“
„Bye!“
„Bye.“
Wow, also eins musste man dem Herrn ja lassen. Seine Stimme war atemberaubend. Schade eigentlich, dass er nun keine Nachrichten mehr hinterlassen würde.

By the way ...

Übringes, Kommentare zu den einzelnen Kapiteln sind ausdrücklich erwünscht!! :)

Sady

Chapter 5

Müde schloss ich die Tür zu meinem Büro auf. Das angenehme Sommergewitter hatte sich in der Nacht zu einem ordentlichen Unwetter entwickelt. Unsanft war ich gegen vier Uhr aus meinen Träumen gerissen worden und hatte dann Schwierigkeiten wieder einzuschlafen. Als dann gegen sieben Uhr der Wecker klingelte war ich noch so tief im Schlaf versunken, dass das Aufstehen eine Qual war. Die Wolken hingen tief über der Stadt und drückten auf die Stimmung. Nieselregen und frische Temperaturen ließen das sommerliche Wochenende in weite Ferne rücken.
Ich hängte meine Jacke auf den Bügel, packte frisches Obst in eine Glasschale und schaltete den Rechner an. Eine Tasse schwarzer Tee mit Milch würde jetzt sicher gut tun. In der Küche traf ich auf Tom.
„Hey Tom. Wie war dein Wochenende? Hat dich Bee wieder aufs Land verschleppt?“ fragte ich während ich den Wasserkocher anstellte.
„Nein, ich war auf Balkonien“, sagte er recht einsilbig. Ich schaute auf und sah ihn fragend an.
„Was?“ blaffte er mich an.
„Wow, da hat ja jemand gute Laune!“
„Bei dem Wetter …“ knurrte er. Tom nahm seinen Kaffee und ging in sein Büro.
Irgendetwas stimmte da nicht. Er war schon die letzten Tage grummelig über die Flure geschlichen, arbeitete bis spät in die Nacht und hatte kaum Zeit zum Plaudern.
Ich kochte meinen Tee auf, ließ eine Tablette Süßstoff in die Tasse fallen und goss Milch dazu. Auf dem Weg zurück in mein Büro blieb ich kurz an Toms Tür stehen.
„Wollen wir heute zusammen Mittag essen?“ fragte ich und lächelte ihn entschuldigend an.
„Keine Zeit.“ Hier stimmte irgendwas absolut nicht.
„Schade. Sag Bescheid, wenn du es dir anders überlegen solltest … oder einfach nur mal reden möchtest.“ Ich wartete noch einen Moment und ging in mein Büro.
Ich öffnete mein Outlook und machte mich an die Arbeit, vertiefte mich in ein Manuskript, das neu angekommen war. Es las sich recht gut. An der einen oder anderen Stelle müsste nachgearbeitet werden, aber es war nicht schlecht. Kurz vor elf erhielt ich eine Mail von Tom. Tut mir leid wegen heute Morgen. Hast du Lust auf Pasta? Tom. Was für eine Frage! Ich hatte immer Lust auf Pasta. Tom wusste das. Ich hole dich 12 Uhr ab. Sady.

„Einmal Pasta mit Gorgonzola und Spinat bitte und einmal Pasta Funghi.“ Tom und ich saßen bei unserem Lieblingsitaliener. Ich hatte einen Tisch ausgesucht, der etwas versteckt war. Um diese Uhrzeit wimmelte es hier nur so von Kollegen.
„So, und jetzt raus mit der Sprache. Was ist denn los mit dir? Du bist schon seit Tagen schlecht drauf.“
Tom kratzte an Kerzenwachs herum, das auf die Tischdecke gekleckert war.
„Ach, eigentlich ist gar nichts. Ich bin einfach nicht so gut drauf, das ist alles.“ Er pulte weiter an der Tischdecke herum.
„Ah ja. Deshalb sitzt du hier also wie ein Trauerkloß, weil EIGENTLICH gar nichts los ist.“
Er schaute auf. Etwas Trauriges lag in seinem Blick.
„Mein Opa liegt im Krankenhaus. Es sieht nicht gut aus.“ Oh weh! Tom war bei seiner Mutter aufgewachsen und kannte seinen Vater kaum. Er hatte ein sehr enges Verhältnis zu seinem Opa.
„Das tut mir leid!“ Ich nahm seine Hand.
„Warum hast du denn nichts gesagt? Kann ich dir irgendwie helfen?“
„Ich weiß auch nicht. So ist das eben im Alter. Da kann man nichts machen.“ Er schaute traurig aus dem Fenster.
„Ach, jetzt red doch nicht so! Du hast genügend Überstunden, also sieh zu, dass du diese Woche immer früh hier verschwindest und zu ihm ins Krankenhaus fährst. Es dankt dir hier keiner, wenn du dich aufopferst. Und wenn etwas Dringendes ist, kann ich dir helfen.“ Er starrte weiter aus dem Fenster.
„Hörst du, Tom?“
„Ich glaube, er wird sterben. Er hatte ein langes Leben, hat viel erlebt, eine große Familie – keine Frage. Aber muss es jetzt so enden? Muss es überhaupt enden?“ sprudelte es aus ihm heraus. Wie gut konnte ich ihn verstehen.
„Es tut mir so leid. Ich weiß, was du jetzt fühlst. Verbring so viel Zeit mit ihm wie möglich. Er wird sich freuen. Und so schwer wie es ist, wenn die Zeit gekommen ist, musst du ihn gehen lassen. Er wird immer ein Teil von dir sein.“
Die Bedienung kam an unseren Tisch und stellte zwei Teller mit dampfender Pasta auf den Tisch. Keiner von uns hatte jetzt noch Appetit auf Pasta. Wir stocherten schweigend in den Nudelbergen herum. Tom seufzte.
„Wie war denn dein Wochenende so?“ er wollte nicht weiter über das Thema reden.
„Ich hab die Sonne genossen. War im Stadtpark und an der Ostsee. Und wurde mal wieder auf eine Hochzeit im Herbst eingeladen.“
Dankbar über den Themenwechsel griff Tom das Thema auf.
„Mal wieder? Wen nimmst du diesmal mit?“
Ich verdrehte die Augen.
„Ha, ha. Sehr witzig, Herr Kollege! Vielleicht möchtest du mich ja begleiten?“
„Bee wird begeistert sein, wenn ich mit ner anderen Frau zu einer Hochzeit gehe.“
„Siehste! Nicht mal du willst mit mir da hingehen!“ Ich grinste ihn an. Ich war froh, Tom etwas aufgeheitert zu haben. Die Sache mit seinem Opa schien ihn sehr zu belasten. Das Theater in der Agentur war dagegen so albern! Ich hatte ein schlechtes Gewissen, dass ich ihn die letzten Tage mit diesen Lappalien so in Beschlag genommen hatte und er mit wirklichen Problemen kämpfen musste. Die nächste Zeit würde schwer für ihn werden.

Chapter 4

Die Woche ging ähnlich chaotisch weiter, wie sie bereits begonnen hatte. Unser Team arbeitete mit voller Kraft an einem Konzept, das von der Dollberg beim Chef präsentiert wurde und sie dafür das Bienchen bekam. Toms Laune wurde im Laufe der Woche etwas besser und der Alltag hatte uns wieder. Heute war nun endlich Freitag und ich war froh bei dem tollen Wetter ein paar Tage ausspannen zu können. Die Sonne lachte vom Himmel und die trübe Stimmung im Büro hellte sich merklich auf. Keiner hatte richtige Lust viel zu arbeiten und war mit den Gedanken längst am Strand. Ich packte daher recht zeitig meine Sachen zusammen, verabschiedete mich ins Wochenende und steuerte mit einer Kollegin den nächsten Biergarten an. Wir genossen den ersten lauschigen Sommerabend bei einem Glas Wein und ließen die Seele baumeln.
Leicht beschwipst von Sonne und Wein kam ich später am Abend nach Hause und freute mich auf mein Bett. Die Woche war anstrengend gewesen.
Als ich aus der Dusche stieg blinkerte mein Anrufbeantworter. Hatte ich das Telefon nicht gehört? Ich drückte die rote Taste um die Nachricht abzuhören.
„Sie haben neue Nachrichten. Nachricht eins. Heute 18:30. Nachricht: ‚Hallo meine Süße! Ist bei dir alles ok? Hier ist es toll. Die Sonne lässt sich inzwischen blicken und du weißt wie schön London im Sommer ist. Ich war gestern Abend in dieser tollen Bar, in der wir so oft gewesen sind. Erinnerst du dich? Wo treibst du dich eigentlich die ganze Zeit rum? Ich rufe bald wieder an.’“ Die Samtstimme wieder!! Ich glaub’s ja nicht! Den hatte ich total vergessen. Hat sich ja ganz schön Zeit gelassen, bis er sich wieder bei der Süßen gemeldet hat. Hmm. Die ist bestimmt schon sauer, weil er sich nicht meldet. Ich muss wohl doch mal Bescheid geben, dass er die falsche Nummer hat. Morgen, nicht mehr heute. Ich ließ mich ins Bett fallen. Fast augenblicklich war ich eingeschlafen.

Die Sonne lachte und auf mich wartete ein Wochenende ganz ohne Termine. Traumhaft! Es war erst neun Uhr, aber ich war putzmunter. Ich zog meine Laufsachen an, bespielte meinen iPod mit neuer Musik und fuhr an die Alster. Das Wasser glitzerte silbern, die ersten Segelboote waren unterwegs und auch ein paar frühe Ruderer zogen ihre Bahnen. Ich startete meine Runde und genoss die leichte Brise, die vom Wasser herwehte. Mein Kopf war wunderbar frei, der Stress der vergangenen Woche fiel von mir ab. Zurück am Auto rief ich Maja an und verabredete mich für den Nachmittag mit ihr im Stadtpark. Wie lange hatten wir auf den Sommer gewartet! Und hier war er nun in all seiner Pracht.
Zu Hause angekommen öffnete ich den Briefkasten und holte die wenige Post raus, die der Postmann eingeworfen hatte. Ein cremefarbener Umschlag? Was kann das denn sein? Oh, nein, bitte nicht ... Oh doch. „Wir trauen uns und möchten das mit dir feiern. Wir laden dich herzlich zu unserer Hochzeit am ...“ Ich ließ das Kärtchen sinken. Wie schön. Hochzeiten sind etwas ganz tolles, aber nicht, wenn man dazu zwei bis drei Mal im Jahr eingeladen ist und dann auch noch ohne männliche Verstärkung dort aufschlagen musste. Einmal war ich tatsächlich der EINZIGE Single auf der Hochzeit! Mal abgesehen vom Nachwuchs unter 14. Heißt es nicht, auf Hochzeiten kann man super flirten und lernt tolle Männer kennen? Wie soll das denn aussehen? Ich kann doch keiner Frau auf einer Hochzeit den Kerl ausspannen! Am Liebsten würde ich absagen, aber dafür sind Hochzeiten zu wichtig, als dass persönliche Befindlichkeiten wie der scheinbar niemals enden wollende Single-Status eine Rolle spielen sollten. Alternative? Ich kaufe mir einen Mann zum mitbringen. Vielleicht sollte ich langsam mal ernsthaft über diese Möglichkeit nachdenken ... im Film verliebt sich dieser meist etwas schrullige Typ dann in die tolle Frau, die auf wundersame Weise noch Single ist, und dann folgt das Happy End. Hmmm ... ich deponierte die Einladung erstmal im Bücherregal. Ich hatte ja noch 4 Wochen Zeit für eine Zusage und ganze 5 Monate, um nicht allein dort aufzutauchen. Man sollte die Hoffnung nicht aufgeben.

Was war das für ein tolles Wochenende! Endlich Sommer! Angrillen im Park, Chillen im Strandkorb an der Ostsee und zum krönenden Abschluss ein richtiges Sommergewitter. Was will man mehr?! Ich lag im Bett und war gemeinsam mit Kommissar Ciccotelli in den Ermittlungen eines Mordfalls verstrickt. Obwohl der Krimi echt spannend war, konnte ich mich nicht richtig konzentrieren. Kaum zu glauben, aber die Samtstimme hatte doch tatsächlich wieder angerufen. Er berichtete von seinem Kongress. Ein gewisser Dr. Montgomery schien eine Koryphäe auf seinem Gebiet zu sein. Jedoch schien er etwas beunruhigt, dass seine Süße sich nicht rührte und wollte ganz bald wieder anrufen. Ich nahm mir vor morgen etwas zeitiger aus dem Büro nach Hause zu kommen, vielleicht war ich ja dann zu Hause, wenn er anrief. Ja, das war eine gute Idee.