Chapter 2

Es war Montag, der Regen prasselte ans Fenster, die Kollegen liefen geschäftig durch die Flure. Hier und da klingelte ein Telefon, aus der Küche hörte man munteres Schnattern. Ich drehte meinen iPod auf – die leicht melancholische Musik des Soundtracks von Dear John passte perfekt zu meiner Stimmung. Wieso riss mich das Wetter eigentlich immer mit? Kaum war ein Tief im Anmarsch sank auch meine Laune.
„Hey Sandy! Na, wie war dein Wochenende?“
Tom stand in der Tür. Ein Schönling wie er im Buche steht, und dennoch einer der besten Kollegen, den man sich wünschen kann. Als ich vor 3 Jahren nach Hamburg zu Rutherford & Sons kam, wurde ich seinem Team zugeteilt. Meine Begeisterung hielt sich in Grenzen. In der Vergangenheit hatte ich genug Erfahrung mit dieser besonderen Spezies Mann gemacht. Gutaussehend, charmant, immer zu Späßen aufgelegt – und selten zuverlässig. Der Umzug nach Hamburg war nicht nur mit der Chance in einer erstklassigen, international tätigen Agentur arbeiten zu können begründet, nein, es sollte auch ein privater Neustart werden. Nicht zuletzt auch der Männerwelt wegen. Und dann das: das Alphamännchen im Team gehörte zu der Kategorie Mann, der ich nun endlich den Rücken kehren wollte. Ich stellte mich auf Konfrontationen ein, irritierte Hüpfer meines nicht ganz normal tickenden Herzchens, viele Überstunden, männliche Starallüren – das ganze Programm eben. Aber nichts von dem trat ein. Tom war ein freundlicher und fachlich sehr kompetenter Kollege, der mich unter seine Fittiche nahm, in die Gepflogenheiten bei Rutherford & Sons einführte und so ziemlich schnell zu einem guten Freund wurde.
„Ruhig. Na ja, relativ ruhig. Und deins?“
„Bee hat mich aufs Land zu ihrer verrückten Familie verschleppt.“ Er verdrehte grinsend die Augen. Bee war seine große Liebe und für sie verließ auch ein eingefleischter Großstadtmensch ab und an sein Revier.
„Verstehe. Kaffeeklatsch bei Muttern.“
„Und Oma und Tante und Onkel ... Sag mal, bei dir alles ok?“ Er schaute mich forschend an.
„Das Wetter! Du weißt doch, scheint die Sonne nicht, werde ich depressiv.“
„Gut, dann bestell ich mal eben Sonne. Denkst du an die Unterlagen für die Besprechung später? Denk dran, die Änderungen müssen markiert sein, Mr. P hat da so seine Vorstellungen ...“
„Klar, ich denk dran.“
Mr. P war unser Chef. Und ja, wir wissen alle, dass Chefs selten der nette Kumpel von nebenan sind. Er aber war ein ganz besonderes Chef-Exemplar. Der Mann kann reden, dass einem die Ohren schlackern. Schöner als jedes Werbeprospekt lullt er einen ein mit seinen Sprüchen. Ich war ziemlich beeindruckt, als ich ihn kennenlernte. Überaus motiviert stürzte ich mich in meine Arbeit. Selten hatte man mir so viel Wertschätzung entgegengebracht, meine Vorschläge und Ideen mit so viel Enthusiasmus begrüßt. Schnell sollte ich merken, dass es nur Floskeln waren, gelernt in einem Rhetorikseminar oder sonst wo. Ließ man sich zu Anfang davon motivieren, waren es nach kurzer Zeit nur lästige Worthülsen, die es einem schwer machten wirklich voranzukommen.
Ich freute mich daher immens auf die bevorstehende Besprechung. Unserem Team wurde aus dem Central Office in London ein Manuskript weitergeleitet. Unsere Aufgabe war es nun, zu prüfen, ob das Buch auf dem deutschen Markt platziert werden könnte. Viele Termine würden koordiniert werden müssen – Lektorat, Übersetzung, Werbung. Wir waren begeistert von der Neuentdeckung unserer Kollegen in London und hatten viele Ideen, die es nun dem Chef zu präsentieren galt. Nur wusste man nie, ob er einen guten oder schlechten Tag hatte, ob ihm heute die Laune eher nach Krimi oder Schnulze stand. Man glaubt gar nicht, an was der Erfolg vielversprechender Autoren scheitern kann – meist nicht an ihrem Können.

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