Chapter 3

„Was bitte war das denn? Was bildet sich diese blöde Schnepfe eigentlich ein? Kommt hier reinstolziert, wartet bis alle die Arbeit gemacht haben, krallt sich dann das fertige Konzept und dann – tata – sammelt sie die Lorbeeren ein. Ich fasse es nicht!“ Wütend lief ich im Büro auf und ab. Tom schaute grimmig aus dem Fenster.
„Beruhige dich! Es ist eben wie immer,“ knurrte er.
„Ich beruhige mich ganz sicher nicht! Wir haben uns die letzten drei Nächte um die Ohren geschlagen, damit alle Wünsche des gnädigen Herren rechtzeitig eingearbeitet sind und dann so was?!“
„Du weißt doch, dass sie sein Liebling ist.“
„Fantastisch! Die rennt jetzt mit unserem Konzept nach ganz oben und darf am Ende noch die Betreuung übernehmen. Dann haben wir die Drecksarbeit gemacht und bekommen vom Kuchen nicht mal die Krümel zu Gesicht!“
Ich schäumte vor Wut. Selten hatte ich mich so in ein Projekt gekniet. David Reynolds war eine große Entdeckung in England. Sein Buch war kometenhaft eingeschlagen und sollte nun auf dem deutschen Markt groß herauskommen. Vier verschiedene Konzepte haben wir entworfen, Grafiken entwickelt, geackert ohne Pause. Und dann kam Ulrike Dollberg. Saß absolut entspannt im Meeting, hatte wie immer nichts nennenswertes beizutragen, blinkerte Mr. P zweimal kurz an, und schon war sie es, mit der wir alle weiteren Einzelheiten abzusprechen hatten. Das Prozedere ist bekannt. Sie führt sich auf wie Miss Oberschlau, lässt uns alles überarbeiten, um am Ende beim ursprünglichen Konzept anzukommen, welches sie dann voller Stolz der Geschäftsführung präsentierte. Selbstverständlich ohne auf die Mitarbeit der anderen Kollegen einzugehen. So lief das immer. IMMER!
„Sag mal, ärgert dich das überhaupt nicht? Wir müssen was unternehmen!“
Noch immer starrte Tom aus dem Fenster.
„Das bringt doch nichts. Mach einfach wie immer und dann kommt eben das nächste Projekt. Was soll’s?!“
Ohne ein weiteres Wort drehte er sich um. Warf mir einen knurrigen Blick zu und ging in sein Büro. Ah ja, als wenn das also nicht schon genug wäre, mutiert auch der einzig normale Kollege weit und breit zum Weichei. Fantastisch!

Irgendwas machte ich falsch. Durchschlagender Erfolg sah anders aus. Ich rackerte mich seit drei Jahren ab, jedes Projekt war bisher ohne schwerwiegende Zwischenfälle über die Bühne gegangen. Ich zeigte Einsatz, scheute mich nicht vor Überstunden, half den Kollegen, wenn Not am Mann war – und wer stieg kontinuierlich die Leiter nach oben? Die Frau im Hintergrund. Überall mischte sie mit, war mit den Obersten per du. Aber wenn man mal Unterstützung benötigte, dann wurde man verwiesen. „Frag XY, der weiß das.“, „Ich ruf eben Hans Ulrich an, der hatte da letztens so eine Idee ...“, „Ich recherchier das bei Gelegenheit.“ Das da nichts weiter bei rum kommen würde war klar. Also machte man die Arbeit gleich selbst. Und wie man mal wieder sah, um am Ende dann doch nur der Handlanger gewesen zu sein.
Ich muss morgen noch mal mit Tom sprechen, wir können uns das nicht länger gefallen lassen! Ich rufe zur Revolution auf! Nieder mit den Schleimbolzen – ein Hoch auf die Arbeitsriege! Oder so ähnlich.


Auf dem Heimweg kaufte ich eine Flasche Rotwein und freute mich auf ein heißes Bad. Ich schloss die Haustür auf und entgegen kam mir Frau Oberrascher. Oh nein, das nicht auch noch!
„Hallo Frau Smitz! Sie sieht man aber selten! Arbeiten’s nicht ein bissel viel?“
„Hallo! Nein, nein. Sie wissen ja wie das ist.“ Ich nahm meine Post – ausschließlich Rechnungen versteht sich, wer sollte mir auch schreiben?! – aus dem Briefkasten und versuchte galant an meiner Nachbarin vorbei zu huschen.
„Sagen’s, wenn Sie ihre Blumen gießen auf’m Balkon, wann machen’s das denn immer? Wissen’s, meine Markise, die würde ich ja zumachen, damit’s da kein Wasser drauf tropfen.“
Das war jetzt nicht ihr Ernst!
„Ähm ja, das kann ich jetzt nicht so sagen ...“ Ich war schon fast die Treppe oben.
„Sagen’s doch einfach Bescheid beim nächsten Mal!“
Ich nuschelte etwas und kramte meinen Wohnungsschlüssel raus.
„Einen schönen Abend Ihnen! Haben’s denn was Schön’s vor?“ plätscherte sie weiter und kam ein paar Stufen nach oben.
„Es war ein anstrengender Tag, ich geh jetzt in die Wanne.“ Ich schloss die Tür auf und war schon fast in der Tür verschwunden.
„Ach, das ist aber schön. Wissen’s da kommt so ein Film heute Abend. Den kann ich Ihnen empfehlen. Warten’s kurz, wie hieß der noch gleich?! Da spielt so eine Frau mit, ach, wie war noch der Name?“
„Ich muss ganz dringend. Sie wissen schon. Schönen Abend!“ Rums, war meine Tür zu. Meine Herren! Was für ein Tag. Bitte, Ruhe! Einfach nur noch Ruhe!!
Schuhe aus, Jacke an den Haken. Auf dem Weg ins Bad sah ich den AB blinken. Ich stellte das heiße Wasser an und gab einen großen Schuss Schaumbad dazu. Ich wollte den AB ignorieren, heute war ich für keinen mehr da. Aber neugierig wie ich bin, war es mir unmöglich das Blinken zu ignorieren.
„Hey meine Süße! Ich wollte mich nur kurz melden. Der Kongress ist nicht so spannend wie erwartet, aber London toll wie immer! Schade, dass du nicht hier bist. Schlaf schön!“ Die samtige Stimme knutschte noch aufs Band und dann war Ende der Meldung. Wer bitte war das denn? Süße wurde ich schon lange nicht mehr genannt und ich kannte auch niemanden, der einen Kongress in London besuchte. Und schon gar nicht mit sooo einer tollen Stimme! Tja, die Süße würde dann wohl ohne ein Lebenszeichen von der Samtstimme auskommen müssen. Sollte ich zurückrufen und den Irrtum aufklären? Nein, selbst Schuld, wenn er die Nummer seiner Süßen nicht ordentlich aufschreiben konnte!

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