Chapter 18

Toms Lippen waren warm und weich. Schlaftrunken und überrascht ließ ich mich in den Kuss fallen. Mein Herzschlag beschleunigte sich. Langsam erwachten meine Gedanken und wirbelten wild durcheinander. Was tat ich hier? Eben noch versuchte ich Tom zu trösten. Tom, meinen Kollegen, einen guten Freund. Und jetzt liebkosten seine Lippen die meinen, wurden fordernder. Sorgten für ein wohliges Kribbeln in meinem Bauch.
„Tom ... Tom!“ Tom wich ein Stück zurück und sah mich an.
„Ich, ähm, ich weiß nicht, ob das ...“ Er strich mir mit seinem Daumen über den Mund. Seine Augen leuchteten in einem traurigen Glanz, ganz dunkel. Er sagte nichts, sah mir nur tief in die Augen, sein Blick folgte seinen Händen. Ganz leicht und weich an meiner Wange entlang, hinunter zu meinem Kinn. Sein Mund verschloss meinen, ganz zart schenkte er mir einen Schmetterlingskuss, bedeckte meine Haut mit Küssen. Seine Hände erkundeten meinen Körper, ertasteten, verwöhnten. Ich schob meine Zweifel und Gedanken beiseite. Ließ meine Hände wandern, spürte Toms weiche Haut unter meiner, atmete seinen Duft ein, stillte meinen Durst nach Berührungen und Nähe, gab mich ihm hin.

Am Morgen erwachte ich in einer wohligen Umarmung, umschlungen von starken Männerarmen. Noch während ich das Gefühl genoss, ganz aufgehoben zu sein, erwachte die Erinnerung an letzte Nacht. Ich schlug meine Augen auf und stellte fest, dass es tatsächlich Tom war, der da neben mir im Bett lag. Ich betrachtete ihn, seine Arme, die mich noch immer umschlungen hielten, seine schönen Hände, die meinen Körper zum Glühen gebracht hatten. Ich sah, wie sein Herz gleichmäßig in seiner Brust schlug, berührte ganz leicht die Stoppeln an seinen Wangen, die meine Haut aufgeschrubbelt hatten. Da meldete sich mein schlechtes Gewissen. Was hatte ich mir nur dabei gedacht?! Tom war mit Bee zusammen, machte gerade eine schwere Zeit durch und ich hatte nichts besseres zu tun, als mit ihm ins Bett zu steigen!
Ich wand mich aus seiner Umarmung und schlich ins Bad. Wie spät war es eigentlich? Elf Uhr! Na fantastisch. Ich hätte bereits seit mindestens zwei Stunden an meinem Schreibtisch sitzen sollen. Ich ließ mich auf den Badewannenrand plumpsen und vergrub mein Gesicht in den Händen. Was für ein Chaos! Die Ereignisse der letzten Nacht hatten eine unerwartete Wendung genommen. Tom war ein sehr leidenschaftlicher und einfühlsamer Liebhaber. Was, wenn er bereute, was letzte Nacht passiert war? Ich hätte es nicht zulassen dürfen. Seine Welt war bereits aus den Fugen als er hier ankam. Er war zu mir gekommen, um Trost zu finden, nicht, um auch noch seine Beziehung in den Sand zu setzen.
Ich stieg in die Dusche, drehte das heiße Wasser auf und hoffte, mein schlechtes Gewissen fortspülen zu können.

Als ich in ein Handtuch gewickelt aus dem Bad kam, war Tom schon wach und knöpfte gerade sein Hemd zu. Er sah auf. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Ein verlegenes Lächeln huschte über Toms Gesicht.
„Hey.“
„Hey.“
Betretenes Schweigen.
„Tom ...“, „Sady ...“ setzten wir gleichzeitig an.
Ich senkte den Blick.
„Tom ... ich, ähm, also ... das mit letzter Nacht.“ Tom kam auf mich zu.
„Sady. Letzte Nacht, das war wirklich schön.“ Er sah mir in die Augen.
„Aber ...“
„Aber es war wohl nicht so eine gute Idee.“ Er seufzte. Uns war beiden klar, dass jetzt nichts mehr war wie zuvor.
„Tut mir leid. Ich hätte ...“
„Sady, es muss dir nicht leid tun! Mir tut es leid. Ich weiß auch nicht, was in mich gefahren ist.“ Er fuhr sich durch die Haare. „Ich ... ach, Scheiße. ... Ich muss mit Bee reden.“ Wieder seufzte er. Jetzt war seine Situation noch komplizierter als vor seinem Besuch.
„Sady, ich muss gehen. Tut mir leid.“ Er strich mir noch einmal über die Wange, küsste mich auf die Stirn und ging. Ich sank aufs Bett und die erste heiße Träne suchte sich ihren Weg.

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