Chapter 16

Die Melancholie und Traurigkeit, die uns nachhing als wir den Friedhof verließen, klang im Laufe des Nachmittags ab. Jasmin und ich tranken in dem kleinen Café einen Kaffee und wärmten uns in der Sonne von der inneren Kälte. Kurz darauf verabschiedeten wir uns. Ich rief Maja an und fragte, ob ich sie aus dem Buchlädchen abholen sollte. Ich wollte heute einfach nicht allein sein. Am frühen Abend holte ich Maja ab. Sie hatte noch Kundschaft, daher stöberte ich ein wenig durch die Regale. Irgendeinen neuen Schmöker fand ich immer.
Wenig später schlossen wir das Lädchen ab und gingen auf einen Wein zu Luigi. Zum Glück hatte er eine tolle Terrasse, so dass wir die untergehende Sonne genießen konnten.
„Wie war es denn heute Nachmittag?“ erkundigte sich Maja nach der Beerdigung.
„Es war furchtbar! Irgendwie surreal. Einerseits war dieser Park traumhaft schön in der Nachmittagssonne, andererseits war die Trauer der Familie fast greifbar. Ich finde Regenwetter oder Schnee passt viel besser zu so einer Situation.“ Ich stützte meinen Kopf mit der Hand ab und sah Maja an.
„Das verstehe ich. Solche Momente müsste man aus dem Gedächtnis streichen können. Man möchte den Angehörigen helfen und kann es nicht. Egal was man sagt, es ist nie das Richtige.“
„Das stimmt.“ Schweigend nippten wir an unserem Wein als mir etwas einfiel.
„Aber weißt du was?!“
„Was?“ Maja machte große Augen.
„Bee war nicht da!“
„Wie, sie war nicht da?“
„Ja, ich weiß auch nicht. Ich hab sie jedenfalls nirgendwo gesehen. Schon komisch, oder? Die beiden sind doch schon so lange zusammen. Da geht man doch mit, oder nicht?“
„Eigentlich schon. Wer weiß, was da los ist.“
„Merkwürdig.“
Wir plauderten noch über ein paar Dinge, tranken unseren Wein aus und fuhren nach Hause.

Nach diesem Tag war ich ziemlich müde. Ein Stündchen auf der Couch vor dem Fernseher zum Abschalten wäre noch drin und dann ab ins Bett. Es war nur noch ein Tag, dann war Wochenende. Endlich. Die erste Woche nach meinem Urlaub war wirklich anstrengend gewesen. Es fühlte sich an, als lägen diese entspannten Tage auf Sylt nicht erst kurze Zeit zurück sondern bereits mehrere Wochen. So viel hatte sich ereignet seit unserer Rückkehr. Hoffentlich wurde es jetzt etwas ruhiger.
Ich ging ins Bad und machte mich bettfertig, schminkte mich ab, zog Shorts und ein T-Shirt an, goss mir ein weiteres Glas Wein ein und machte es mir auf der Couch gemütlich. In der Schublade der Anrichte fand sich auch noch etwas Schokolade.
Ich war kurz eingeschlafen, als es gegen elf Uhr an meiner Tür klingelte. Ich konnte das Geräusch erst nicht zuordnen und brauchte einen Moment, um mich zu orientieren. Es klingelte wieder. Ich erschrak. Wer konnte das sein um diese Zeit? War Maja etwas passiert? Nein, dann hätte sie vorher angerufen. Meiner Nachbarin vielleicht? Vielleicht war das auch nur ein Trick von Ganoven, die sich Zutritt zu meiner Wohnung verschaffen wollten. Mein Herz schlug mir bis zum Hals. Sady, welcher Einbrecher klingelt zwei Mal, bevor er die Mieterin überfällt? Ich schüttelte den Kopf. Das musste der Wein sein und meine Leidenschaft für gruselige Krimis, die mir bei Dunkelheit manchmal zum Verhängnis wurde.
Ich ging zur Tür und schaute durch den Spion. Dort stand niemand. Sollte ich die Tür öffnen? Ich gab mir einen Ruck und schloss die Wohnungstür auf. Niemand da. Ich schaute über das Geländer nach unten. Vor der Haustür stand Tom.

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