Chapter 24

Nach dem gemütlichen Pubabend mit Paula bei einigen Glas Wein, war ich wie ein Stein ins Bett gefallen. Als ich am nächsten Morgen erwachte, war ich ausgeruht und total entspannt. Es war befreiend, festzustellen, dass die Entscheidung etwas Neues zu beginnen, bereits gefallen war – auch wenn ich mir dessen bis gestern nicht bewusst gewesen war. Jetzt konnte ich mich voll darauf konzentrieren, herauszufinden, was ich wirklich wollte. Bei Maja hatte ich gesehen, dass es machbar war, auf eigenen Beinen zu stehen, wenn auch nicht immer einfach. Blieb nur noch die Frage zu klären, was genau ich machen wollte. Aber dafür hatte ich noch genügend Zeit.
Ich kroch spät aus meinem Bett. In der Küche hörte ich Stimmen und Kaffeeduft schwebte durch die Wohnung.
„Guten Morgen! Hier riecht es aber lecker!“
„Hey Schlafmütze, na, gut geschlafen?“ Paula saß mit einer dampfenden Tasse Kaffee am Küchentisch und las in einer Zeitung.
„Wie ein Murmeltier. Und du? Bist du schon lange wach?“
„Seit einer Stunde ungefähr. Wenn ich die ganze Woche früh raus muss, ist mein Rhythmus noch nicht ganz angepasst. Das ist das erste Wochenende, das ich frei habe, seit ich hier in London bin! Ich weiß gar nicht so genau, was ich machen soll.“ Sie musste lachen. „Unglaublich, ich hab Freizeit! Aaahh!“
„Oh man! Ärztin zu sein scheint nicht gerade privatlebenfreundlich zu sein.“
„Na ja, hier ist es besser als in Deutschland. Aber viel ist es trotzdem.“
„Hauptsache du hast Spaß!“
„Das auf jeden Fall. Sag mal, wollen wir nicht etwas Schönes unternehmen? Was meinst du?“
„Klar, gerne. Hast du schon den Wetterbericht gehört? Nur damit wir wissen, ob wir draußen oder drinnen planen müssen.“
„Heute noch eher regnerisch zum Abend hin aber immer schöner. Morgen sonnig.“
„Dann lass uns morgen in irgendeinen Park fahren oder so etwas. Und heute … hmm, wir frühstücken jetzt erst einmal gemütlich und dann könnten wir nach Camden fahren und dort ein bisschen bummeln. Warst du dort schon?“
„Nein, aber hab schon einiges gehört.“
„Es ist toll dort. Sehr freakig, aber mir gefällt es total gut.“
„Dann lass uns dort heute hinfahren. Und wenn wir nicht total erledigt sind, gehen wir noch aus.“
„Gute Idee. Wo ist eigentlich Sam?“
„Die ist bei ihrem Freund Josh. Aber vielleicht mag sie ja heute Abend mitkommen. Wir werden sehen, wenn wir wieder zurück sind, ob sie dann wieder zu Hause ist. Ansonsten rufe ich sie mal an.“

Wir verbrachten den Nachmittag beim ausgiebigen Bummeln auf den Camden Markets. Es gab dort viel zu bestaunen und zu stöbern. Natürlich konnte man auch diversen Nippes erstehen, so dass wir sehr viel Spaß hatten, beim aus- und anprobieren. Insbesondere die Schmuckläden und -stände hatten es uns angetan. Paula kaufte eine tolle Kette für ihre Mama, und Ohrringe für sich. Ich erstand ein tolles Tuch und passende Armreifen für Maja und für mich auch ein paar Ohrringe. Als wir eine Pause brauchten und Schutz vor dem einsetzenden Regen suchen mussten, gingen wir auf einen großen Kaffee zu Starbucks.
„Boah, tun mir die Füße weh!“
„Frag mich mal! Aber es ist toll hier! Ich glaub, hier werde ich demnächst öfter stöbern.“
„Das glaub ich dir gern. Wenn man mal ein Geschenk braucht, findest du hier mit Sicherheit etwas Schönes.“
„Hast du denn vor diesen Jeremy anzurufen so lange du noch hier bist?“
„Wie kommst du denn jetzt auf den?“ Ich musste lachen.
„Ich weiß auch nicht, fiel mir grad so ein.“
„Hmm, ja, warum eigentlich nicht? Der war nett.“
„Ruf ihn doch an und frag, was er heute Abend macht. Vielleicht können wir was zusammen machen.“ Ich schaute sie überrascht an. „Also nur, wenn du nichts dagegen hast. Aber ich kenne hier ja auch noch so gut wie niemanden.“
„Stimmt. Warte, ich glaube, ich habe seine Karte dabei.“ Ich kramte in meiner Tasche nach meinem Portemonnaie und fand darin die Visitenkarte. Bevor ich lange darüber nachdachte, rief ich ihn an.
„You have reached the voicemail of Jeremy Collins. Please leave a message after the tone and I’ll get back to you as soon as I can. Thanks!”
“Hi Jeremy, Sady hier. Schade, dass ich dich nicht erreiche. Ich wollte ganz spontan fragen, ob du heute Abend schon etwas vor hast? Bestimmt. Hmm, falls nicht, meine Freundin Paula und ich werden wohl auf einen Wein in eine Bar gehen. Vielleicht Soho? Ähm, ja. Meld dich doch einfach. Bye, Sady.“ Ich legte auf. „War nur die Mailbox dran.“
„Na ja, vielleicht meldet er sich ja.“
„Ja, wir werden sehen.“
„War er eigentlich Single?“
Ich zuckte mit den Schultern. „Ich hab keine Ahnung. Um ehrlich zu sein, haben wir darüber gar nicht gesprochen. Er hat aber auch niemanden erwähnt.“
Paula grinste verschmitzt. „Na, doch interessiert?“
„Paula, wirklich jetzt! Wenn du nicht ständig nachfragen würdest, hätte ich mir darüber noch gar keine Gedanken gemacht!“
„Sorry“, gluckste sie, „ich finde das nur etwas ungewöhnlich, dass du kaum eine Woche hier bist und schon spricht dich jemand an und ihr plaudert zwei Stunden über alles mögliche.“
„Ach, das ist hier total normal. Ich hab es bisher noch nie in London erlebt, dass ich abends ausgegangen bin und hab niemand neues kennengelernt. Irgendwie ticken die hier anders.“
„Echt? Wird wirklich Zeit, dass ich nicht nur Londons Gesundheitswesen kennenlerne.“
„Sieht ganz so aus!“
„Wollen wir los? Dann können wir noch gemütlich zu Hause essen und unsere Füße pflegen und dann mal sehen, was der Abend so bringt.“
„Gute Idee!“

Auf dem Heimweg gerieten wir in einen ordentlichen Regenguss, bei dem selbst kein Schirm mehr half. Patschnass kamen wir in Paulas Wohnung an.
„So, nachdem das Londoner Wetter jedem Klischee gerecht geworden ist, würde ich ein heißes Bad vorschlagen.“ Paula ließ ihre tropfende Jacke in der Küche fallen. „Vorschlag, ich nehme schnell ein Bad, dann kannst du ins Bad und ich koche in der Zwischenzeit etwas leckeres für uns.“
„Klingt super! Dann seh ich mal zu, dass ich die nassen Sachen in die Maschine stecke.“
„Super, bin in ca. ner halben Stunde wieder da.“
„Lass dir Zeit!“
Ich kuschelte mich in einen flauschigen Bademantel und machte es mir auf der Couch gemütlich, zappte durch die Kanäle und blieb bei East Enders hängen. Wie lange hatte ich das nicht gesehen! Ich war zwar so gar nicht mehr auf dem Laufenden, aber dennoch blieb ich dabei. Am Ende waren alle Soaps gleich. Vierzig Minuten später kam Paula mit rosigen Wangen aus dem Bad.
„Das war eine Wohltat!“ Sie ließ sich neben mich auf das Sofa plumpsen. „Was guckst du dir denn da an?“ Der Spott in ihrer Stimme war nicht zu überhören.
„East Enders. Lach nicht! Das ist Gute Zeiten Schlechte Zeiten auf Englisch.“
„Na dann! Los, ab mit dir ins Bad. Ein heißes Bad ist jetzt genau das richtige. Wenn du wieder raus kommst, gibt es was zu essen.“
„Das klingt super!“

Als ich gut durchgewärmt aus dem Bad kam, war auch Sam wieder zu Hause.
„Hey Sam! Schön, dass du da bist!“
„Sady! Und wie ich sehe, genau zur richtigen Zeit – pünktlich wenn das Essen auf dem Tisch steht.“
„Tja, das nenne ich Timing!“
Während des Essens sprachen wir über die weitere Abendplanung. Sam wollte einen gemütlichen Abend zu Hause machen. Ihr Freund Josh war mit Freunden unterwegs, aber ihr war mehr nach einem DVD-Abend.
„Um ehrlich zu sein, klingt das ganz verlockend“, sagte ich. „Jetzt so nach dem heißen Bad und dem leckeren Essen muss ich auch nicht unbedingt noch einmal raus.“
„Geht mir ähnlich“, stimmte Paula zu. „Hat sich denn Jeremy noch gemeldet? Wäre ja blöd, wenn wir jetzt keine Lust haben …“
„Oh, den hab ich total vergessen!“
„Sady!“ Paula lachte empört. „Du scheinst ja wirklich nicht interessiert zu sein.“
„Meine Güte, das sag ich doch die ganze Zeit!“ Ich war aufgesprungen und suchte mein Telefon. Der Akku war leer und das Telefon aus.
„Mist. Mein Akku ist leer.“
„Dann stöpsel es ein und sieh nach, ob du eine Nachricht hast.“
Ich holte das Ladekabel aus meinem Koffer, verband mein Telefon und schaltete es ein. Sofort erschien die Nachricht, dass ich eine Voicemail hatte.
„Hi Sady! Das ist ja eine Überraschung. Schön, dass du anrufst, aber heute Abend ist ungünstig. Wie wäre es mit morgen? Ich bin mit Freunden im Hyde Park verabredet. Es soll ja schönes Wetter werden. Wenn ihr Lust habt, dann kommt doch einfach dazu. Wir treffen uns so gegen eins zum Picknick. Ruf an, wenn ihr kommen wollt, dann erkläre ich dir, wo genau wir zu finden sind. Macht euch einen schönen Abend! Bye, Jeremy.“
„Er hat für heute abgesagt, uns aber morgen 13 Uhr zum Picknick in den Hyde Park eingeladen.“
„Echt?“ Paula war total überrascht. „Das glaub ich jetzt nicht! Du bist hier 5 Tage und wirst sofort irgendwo eingeladen. Ich bin hier seit 5 Wochen und hab noch niemanden kennengelernt!“ Paula war ehrlich entrüstet.
„Na aber!“ mischte Sam sich ein. „Das stimmt so ja nun auch nicht. Du arbeitest einfach zu viel!“
„Außerdem sind WIR eingeladen. Also bitte!“
„Stimmt. Und? Gehen wir hin?“
„Was für eine Frage! Na klar. Der Hyde Park ist toll.“
Ich rief Jeremy zurück und sagte zu. Danach fuhr Sam in eine Videothek und lieh drei Filme aus. Wir machten es uns im Wohnzimmer gemütlich und guckten die halbe Nacht Filme.

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