Chapter 10

Die folgenden Wochen verliefen im immer gleichen Alltagstrott. Die Arbeit in der Agentur stapelte sich bergeweise, was einerseits schön war, denn ich überarbeitete gerne Manuskripte, setzte mich mit Autoren in Verbindung, organisierte Lesereisen und solche Dinge. Andererseits arbeitete ich dabei gern auf meine Weise und nicht mit dem Anstandswauwau des Chefs.

Tom versuchte weiterhin Familie und Job halbwegs gerecht zu werden. Seinem Opa ging es immer schlechter. Inzwischen war er in ein Pflegeheim verlegt worden und die Oma wohnte nun ganz allein im großen Haus. Es war keine gute Lösung, aber Alternativen gab es nicht wirklich. Tom versuchte so gut es ging, sich nichts anmerken zu lassen, aber die Situation belastete ihn sehr. Er machte seine Arbeit gerne, was aber oftmals hieß bis spät abends in der Agentur zu sein. So gab es immer einen Gewissenskonflikt – wollte er seiner Familie beistehen, musste er auf irgendeine Weise seine Arbeit vernachlässigen; arbeitete er lange, um ein Projekt voranzutreiben, hatte er das Gefühl, seine Familie im Stich zu lassen. Ich versuchte, ihn so gut es ging zu entlasten und verbrachte sehr viel Zeit an meinem Schreibtisch oder nahm Arbeit mit nach Hause. Eine weitere Kollegin (neben der Dollberg) war uns zugeteilt worden, so dass wir etwas mehr Luft hatten. Trotz allem freute ich mich auf ein paar freie Tage. Ich hatte für Anfang August Urlaub eingereicht und schmiedete mit Maja bereits Pläne, auf eine der Nordseeinseln zu fahren. Das Wetter sollte gut werden und so freuten wir uns auf Sonne, Meer und gute Bücher.
Vorher hieß es aber, neben der Arbeit noch Majas erste Lesereihe im Buchlädchen zu organisieren. Sie hatte sich entschlossen zwei verschiedene Varianten auszuprobieren. Sie wollte einen Lesemonat mit diversen Krimiautoren ausprobieren. Plan war es, Autoren einzuladen, die ihre neuesten Thriller und Krimis vorstellten und aus ihnen vorlasen und im Anschluss gab es eine Fragestunde mit den Lesern. Um auch die ganze junge Kundschaft auf Dauer anzuziehen, sollte es jeden zweiten Samstagvormittag zwei Lesestunden für Kinder geben. So konnten die Eltern entspannt ihren Wochenendeinkauf erledigen oder sich mit Freunden treffen und die Sprösslinge waren gut unterhalten. Majas Schwester Mia war Pädagogin und wollte bei der Betreuung der Kinder helfen. Denn auch wenn die geladenen Autoren Kinderbücher geschrieben hatten, war nicht davon auszugehen, dass diese auch eine ganze Horde ihrer Leserschaft zwei Stunden lang im Griff hatte. Für beide Veranstaltungen hatten wir schon einige Zusagen von Autoren, warteten aber noch auf ein paar weitere.
Der Lesemonat war für nach unserem Urlaub angesetzt. Wir wollten die Organisation dennoch vorher abgeschlossen haben, so dass wir die Tage am Meer auch wirklich genießen konnten. Alles in allem sah es schon gut aus, es fehlte nur noch der Feinschliff.
Das freie Arbeiten machte mir viel mehr Spaß als meine „richtige“ Arbeit im Büro. Manchmal dachte ich darüber nach, mich selbständig zu machen, meine eigenen Projekte durchzuführen und verschiedene Bereiche zu kombinieren. Leider hatte ich weder eine reiche Erbtante noch spielte ich Lotto. Und ein Banküberfall erschien mir doch etwas zu riskant. Ich konnte stundenlang davon träumen, wie mein Büro aussah, klein aber fein in einer schicken Hamburger Gegend; wie es wäre, mein eigener Chef zu sein und der von ein paar Mitarbeitern. Der Start würde schwierig werden, aber ich hatte in den letzten Jahren ein paar gute Kontakte geknüpft, durch die der Einstieg etwas leichter werden würde. Majas Lädchen würden wir mit den geplanten Lesungen gut in Fahrt bringen, so dass ich auch sie zu meinen Kunden würde zählen können.
Ich träumte noch eine Weile vor mich hin. Dann sah ich, dass ich eine Email von Maja erhalten hatte.

Hey Sady, geh mal auf die Seite http://www.aarnhoog.de/keitum/go.php
Wie findest du das Hotel? Das ist doch toll, oder? Ich weiß, ganz schön teuer, aber frau gönnt sich ja sonst nichts! Genau richtig für unseren Urlaub im August. Ben ist neidisch, dass er keine Zeit hat und uns Mädels allein fahren lassen muss :)
Meld dich bald, damit wir noch ein Zimmer mit Meerblick ergattern!!
Küsschen
Maja

Das Hotel war traumhaft schön – und traumhaft teuer. Aber Maja hatte recht. Wir mussten uns eine richtige Auszeit gönnen und das Hotel versprach Urlaub vom Feinsten. Ich lud Maja am Abend auf einen Wein zu mir ein. Gemeinsam machte das Urlaub buchen doch gleich viel mehr Spaß.

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