Chapter 11

„Gut, gehen wir alles noch einmal durch: wir haben von 20 Autoren Zusagen erhalten, alles schriftlich festgehalten und im grünen Ordner abgeheftet. Die Konditionen sind geklärt. Wir haben Kontaktdaten, so dass wir bei Problemen jederzeit wen erreichen, und zwei, drei Alternativautoren hätten wir auch, falls einer ausfällt. Pro Lesung sind 30-40 Eintrittskarten verkauft worden, ausreichend Sitzmöglichkeiten haben wir, für Snacks danach sorgt deine Mutter, ausreichend Flyer vom Lädchen wurden gestern geliefert … so, noch irgendwas?“
„Ich hab alles auf der Checkliste abgehakt“, Maja knabberte nervös an ihrem Stift.
„Maja, alles ist gut. Nach unserem Urlaub haben wir noch 2 Wochen, bis dein Lesemonat beginnt. Und selbst dann kommen erstmal nur 4 Autoren in der ersten Woche dran. Wir schaffen das! Du wirst sehen es wird richtig gut werden.“
Maja war sehr aufgeregt, was die Leseveranstaltungen anging. Solche Events zu organisieren waren etwas Neues für sie. Ich versuchte sie so gut es ging zu beruhigen und hoffte darauf, dass alles glatt laufen würde und Maja dadurch wieder entspannter. Die Werbung für den Krimimonat war bei der Kundschaft des Lädchens gut angekommen. Wir setzten darauf, die Lesung persönlich zu halten und nicht zu viele Besucher einzuladen, so dass der Charme von Majas kleinem Buchladen mit seinen Sofas und Sesseln nicht verloren ging. Helena, Majas Mama, war sofort Feuer und Flamme und versprach für das leibliche Wohl während der Lesungen zu sorgen. An vier Abenden pro Woche sollte einen Monat lang den Krimifans das Gruseln gelehrt werden.
Bis zu unserem tollen Urlaub auf Sylt war es nur noch eine Woche. Wir hatten uns tatsächlich für das tolle Hotel entschieden und konnten es kaum noch abwarten, endlich, endlich in diesem traumhaften Ambiente zu entspannen.

Als ich am Mittwoch in die Agentur kam, herrschte bereits angespannte Geschäftigkeit. Hatte ich etwas verpasst? Als ich gestern ging, war alles ruhig. Kein großes Projekt kurz vor der Deadline, keine dramatischen Wendungen in Sicht. Aber so war das meistens. Unheilvolle Dinge kündigten sich selten an, sie trafen einen wie ein Blitz aus dem Nichts. So auch an diesem Tag. Ich schaltete meinen Rechner an und wartete darauf, auf meinen Posteingang zugreifen zu können. Ich hatte fünf neue Mails, drei davon von Mr. P. Das ließ mich nichts Gutes ahnen.
Der Deal mit einem vielversprechenden Autor war geplatzt. Eine andere Agentur hatte am Ende den Zuschlag erhalten und nun mussten wir unseren Kopf hinhalten. In einer halben Stunde war ein Meeting angesetzt. Fantastisch. So etwas passierte, es gehörte einfach zum Geschäft dazu. Natürlich war es alles andere als erfreulich. Die ganze Arbeit war umsonst gewesen und wenn sich herausstellen sollte, dass der Autor den Erwartungen entsprach oder diese sogar übertraf, war das eine gewaltige Niederlage. Es war richtig, zu analysieren, aus welchen Gründen der Autor die Agentur gewechselt hatte.
Mir war klar, dass dieses Meeting einem vernichtendem Wirbelsturm gleichkommen würde. Jetzt hieß es, erhobenen Hauptes in die Höhle des Löwen zu gehen und das Unwetter über sich ergehen zu lassen. Die nächsten Tage würde Eiszeit herrschen, doch dann würden sich die Wogen glätten. Neue Projekte würden bearbeitet werden und das Drama wäre (hoffentlich) vergessen.
Tom saß in seinem Büro und schien ebenso begeistert zu sein, über den anstehenden Termin, wie ich.
„Was für ein Morgen! Als wenn nicht so schon alles anstrengend genug wäre, müssen wir uns jetzt auch noch den Kopf abreißen lassen.“ Tom rief sich müde die Augen.
„Augen zu und durch. Hilft ja leider nichts. Ich wüsste auch nicht, was wir anders hätten machen sollen. Wenn die andere Agentur bessere Konditionen hat als unsere, dann ist das eben so. Mr. P wollte nicht das kleinste Zugeständnis machen. Was hätten wir also tun sollen?“
„Sag ihm genau das und du kannst deine Sachen packen.“
„Ich weiß.“
Wir saßen schweigend in Toms Büro und warteten, dass das Meeting anfing. Nicht, dass ich es kaum hätte abwarten können, aber je schneller es anfing, desto schneller war es auch wieder vorbei.

Der Termin mit Mr. P verlief schlimmer als erwartet. Er schrie und tobte, dass die Wände wackelten. Es war egal was wir sagten, es machte es nicht besser. Nach einer dreiviertel Stunde schlichen wir zurück in unsere Büros. Selbst die Dollberg zog mit gesenktem Kopf ab.
Ich schloss meine Bürotür hinter mir und setzte mich an meinen Schreibtisch. Solch ein Donnerwetter war nie schön, selbst wenn man wusste, dass es nicht unbedingt gerechtfertigt war. Ich brauchte jetzt ein bisschen Ruhe, keine Kollegen, nur meine Arbeit.
Ich hatte gerade ein Manuskript geöffnet, als es an meiner Tür klopfte und Tom in mein Büro trat.
„Sady, ich muss weg. Mein Opa liegt wieder im Krankenhaus.“ Was für ein Timing.
„Scheiße. Oh man, das tut mir leid.“ Ich stand auf legte ihm eine Hand auf den Arm.
„Kann ich dir irgendwie helfen?“ Ich hatte Tom selten so müde und erschöpft gesehen.
„Ich fahr erstmal hin. Dann werd ich weiter sehen. Tut mir leid, dass ich dich jetzt hier mit dem Schlamassel hängen lasse. Aber ich muss da jetzt hin.“
„Ach, hör auf! Das versteh ich doch. Ich grab mich hier ein, und mach weiter wie gehabt. Du kannst an der Situation jetzt auch nichts mehr ändern. Fahr zu deiner Familie.“
„Danke.“
„Und meld dich, wenn irgendwas ist!“
„Das mach ich.“ Mit hängenden Schultern verließ Tom mein Büro. Er tat mir leid. Die Situation mit seinem Opa sah nicht gut aus. Allen war klar, dass das Ende bevor stand. Es war auch das Beste für den alten Mann, aber für die Angehörigen war jeder Verlust schlimm. Ich hoffte, dass es schnell gehen würde.

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